Yiannis Varoufakis ist ein eloquenter Mann, der bei seinen Antworten gerne weit ausholt und dabei Vergleiche aus der Literatur und zur griechischen Mythologie zieht. Nicht so, wenn er online publiziert. Seit 2008, damals noch als Universitätsprofessor, schreibt er an einem Blog, in dem er seine Beobachtungen zur Finanzkrise und zur griechischen Tragödie festhält, die sich rund um die Verschuldung seiner Heimat abspielt.
Mittlerweile ist Varoufakis griechischer Finanzminister, und die Blogeinträge (http://yanisvaroufakis.eu) wurden von ihm zusammen mit den Ökonomen Stuart Holland und James Galbraith zu - im Wesentlichen vier - Vorschlägen verdichtet. Vorschläge, wie der Eurokrise beizukommen sei. Das ist hochinteressant, auch weil es, wenig überraschend, gegen den Strich bürstet. Die bisher eingeführten Maßnahmen, vor allem im Bankensektor, werden hinterfragt. Die plump kommunistische Einstellung, die Varoufakis gerne unterstellt wird, wird man in dem schmalen "Debattierbuch", wie es genannt wird, nicht finden.
Einige der Vorschläge sind radikal und stehen konträr zum herrschenden Mainstream: So würde er notleidend gewordene Banken unter die Kuratel der Europäischen Zentralbank stellen. Die Bankenunion, so wie sie derzeit angestrebt wird, hält er für nicht zielführend, weil zu wenig zentralistisch. Soll heißen: Die nationale Macht der Finanzindustrie sei mit den derzeitigen und den geplanten EU-Maßnahmen ungebrochen. Varoufakis ist da EU-Europäer: Alle seine Vorschläge sind nach seiner Ansicht mit den bestehenden EU-Verträgen umsetzbar und beinhalten zumeist ein Mehr an Europa.
Den durch die Krise unverschuldet in Not geratenen Menschen in Süd- und Südosteuropa gehörte mit einem Programm geholfen, das an den Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. - Der bescheidene Vorschlag ist im Endeffekt gar nicht so bescheiden. (DER STANDARD, 9.3.2015)