Athen - Im Ringen um einen Ausweg aus der griechischen Schuldenkrise hat Finanzminister Yanis Varoufakis eine Volksabstimmung ins Gespräch gebracht. Ein Referendum wäre eine Möglichkeit, sollten die Euro-Partner die Umschuldungspläne der Athener Regierung endgültig ablehnen, sagte Varoufakis in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der italienischen Zeitung "Corriere della Sera".
Auch Neuwahlen seien eine Option. Eine Ablehnung der griechischen Pläne in Brüssel könnte Probleme aufwerfen. "Aber wie mein Ministerpräsident schon gesagt hat, kleben wir noch nicht an unseren Stühlen."
EU-Kommission sieht Griechenland weiter im Euro
Die EU-Kommission hat unterdessen abermals einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone kategorisch ausgeschlossen. "Die Europäische Kommission vertritt die Auffassung: Es wird niemals einen Grexit geben", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker der Zeitung "Welt am Sonntag". Griechenland forderte unterdessen Entschädigung für Verlust durch Russland-Sanktionen.
"Niemand unter den politisch Verantwortlichen in Europa arbeitet an einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Das Land ist und bleibt Mitglied der Währungsunion." Ein Ausstieg Athens aus der Eurozone würde nach Junckers Einschätzung zu einem nicht zu reparierenden Ansehensverlust der gesamten EU in der Welt führen.
Treffen in Brüssel
Juncker appellierte aber auch an die Europäer, die dramatische Lage im Krisenland anzuerkennen. Ein Viertel der Griechen bekomme keine Sozialleistungen mehr, und die Arbeitslosigkeit sei in die Höhe geschossen. "Wir müssen aufpassen, dass sich die Verhältnisse in Griechenland nicht noch verschlimmern", sagte der Luxemburger. "Was mich besorgt ist, dass noch nicht alle in der Europäischen Union den Ernst der Lage in Griechenland verstanden haben."
Die Euro-Finanzminister werden am Montag in Brüssel über die Lage beraten - knapp zwei Wochen nach dem Grünen Licht für eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland. Das Land wird seit 2010 mit internationalen Hilfskrediten in dreistelliger Milliardenhöhe über Wasser gehalten. Mit der Verlängerung des Programms um vier Monate bis Ende Juni erhält Athen die Chance auf weitere Hilfskredite, die allerdings noch nicht in den nächsten Wochen fließen dürften.
Finanzieller Engpass droht
Damit steuert die Regierung auf einen akuten Engpass zu. Insgesamt muss Athen im März Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen. In den kommenden Wochen will Athen die drohende Finanzierungslücke mit kurzfristigen Anleihen überbrücken, wie Ministerpräsident Alexis Tsipras im Nachrichtenmagazin "Spiegel" ankündigte.
Dafür die Europäische Zentralbank (EZB) einzuspannen trifft jedoch in der Notenbank auf harte Ablehnung. Das Direktoriumsmitglied der EZB, der Franzose Benoît Coeure, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" laut Vorabbericht: "Die EZB kann nicht die griechische Regierung finanzieren. Wir dürfen das nicht tun." Zuletzt hatte Tsipras die EZB für ihre harte Haltung in dieser Frage scharf kritisiert.
Hausfrauen und Touristen als Steuerfahnder
"Reformen sind der einzige Weg", sagte Coene weiter. In einem Schreiben an die EU - das am Montag in Brüssel diskutiert werden soll - listete Yiannis Varoufakis eine Reihe von Reformvorhaben auf. Unter anderem schlägt der griechische Finanzminister vor, "eine große Zahl nicht professioneller Inspektoren" als Steuerfahnder einzusetzen. Varoufakis will dafür Studenten, aber auch Hausfrauen oder sogar Touristen einsetzen.
Athen versucht auch auf anderen Wegen die drohende Finanzierungslücke zu stopfen. So forderte Außenminister Nikos Kotzias EU-interne Entschädigungen für die Einnahmeausfälle, die durch Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt verursacht werden. Die Strafmaßnahmen gegen Russland führten vor allem in der Agrarwirtschaft seines Landes zu großen Verlusten, sagte Kotzias am Samstag in einem Interview von ARD und ZDF. "Die müssen ersetzt werden innerhalb der EU. Das hat nichts mit Finanzhilfe zu tun."
Wiedergutmachung für Nazi-Verbrechen
Griechenlands Sonderbotschafter Jorgo Chatzimarkakis forderte als Wiedergutmachung für Nazi-Verbrechen deutsche Milliarden für eine griechische Aufbaubank. Die Frage der Entschädigung sei "von den Vertretern der jeweiligen Bundesregierungen nach 1949 sehr geschickt unter den Teppich gekehrt worden", sagte der frühere FDP-Politiker der "Rheinischen Post" (Samstag). Die deutsche Regierung hat jedoch schon wiederholt betont, sie sehe keinen Grund für neue Forderungen Griechenlands aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Während der fast vierjährigen Besatzung hatte die deutsche Wehrmacht Dutzende Massaker in Griechenland verübt.
Finanziell in Griechenland engagieren will sich hingegen erstmals die Osteuropabank (EBRD). "Die Bank wird sich darauf konzentrieren, dem Privatsektor in Griechenland zu helfen, um zur wirtschaftlichen Erholung des Landes beizutragen", sagte der Präsident des Instituts, Suma Chakrabarti, der "Wirtschaftswoche". Dem Magazin zufolge sind Experten der Bank seit Donnerstag in Athen, um zusammen mit der dortigen Regierung geeignete Projekte zu finden. (APA, 8.3.2015)