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Franz Wohlfahrt ist quasi ein Urgestein der Austria. Das war wohl ein Argument, ihn zum Sportdirektor zu machen.

Foto: APA/ Pfarrhofer

Standard: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf die Tabelle schauen? Zur Erinnerung: 23 Spiele, 29 Punkte, Platz sechs. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander, oder?

Wohlfahrt: Ich schaue nicht auf die Tabelle, sie ist mir eh bewusst.

Standard: Beschreiben Sie den momentanen Zustand der Austria. Haben Sie Ursachenforschung betrieben?

Wohlfahrt: Ich bin gerade dabei. Es gibt nicht einen einzigen Schuldigen, sofern man überhaupt von Schuld sprechen kann. Fehler passieren. Wir sind ein Team und versuchen, das Problem gemeinsam zu lösen. Es sind übrigens mehrere Probleme.

Standard: Nennen Sie welche.

Wohlfahrt: Nehmen wir das jüngste Match gegen Sturm. Es stand 1:1, Stryger Larsen verletzte sich ein paar Minuten vor Schluss, wir konnten nicht mehr auswechseln. Der eine oder andere Spieler wollte das Match schnell machen, anstatt die Zeit vergehen zu lassen. In so einer Situation muss man die Schuhbänder zweimal binden, eine halbe Minute warten, bis man den Ball einwirft. Das hat nichts mit fehlendem Selbstvertauen zu tun, das sind taktische Mängel. Es liegt gar nicht am Trainer, die Profis müssten das selbst wissen, zumindest kann man das erwarten. Es gibt eine Eigenverantwortung.

Standard: In den vergangenen 15 Jahren hatte die Austria 19 Trainer.

Wohlfahrt: Ich war auch dabei.

Standard: Kontinuität schaut aber anders aus. Muss da nicht ein Umdenken stattfinden?

Wohlfahrt: Wahrscheinlich. Man muss aber auch erkennen, dass es durchaus Erfolge gegeben hat. Es sind ja einige Trainer freiwillig gegangen, um woanders eine größere Karriere zu machen.

Standard: Wie geht es mit dem aktuellen Coach Gerald Baumgartner weiter? Ihm wird nicht einmal das Vertrauen ausgesprochen. Wurde der richtige Zeitpunkt, sich von ihm zu trennen, bereits verpasst?

Wohlfahrt: Noch einmal. Wir unterstützen Trainer und Mannschaft, um das Spiel gegen Rapid erfolgreich zu gestalten. Was war und was sein wird, das sind alles Thesen, mit denen ich mich nicht auseinandersetze. Wir haben tagtäglich hart zu arbeiten, um die Situation zu bewältigen. Man kritisiert, dass die Austria so viele Trainer verschleißt, und dann verlangt man, dass Baumgartner entlassen wird. Das passt nicht zusammen.

Standard: Aber man kennt ja die Mechanismen im Fußball, egal ob sie richtig oder falsch sind. Fehlen die Erfolge, wird irgendwann der Trainer ausgetauscht. Was passiert, sollte die Austria das Derby verlieren? Anders gefragt: Wird Baumgartner im Falle eines Sieges das Vertrauen ausgesprochen?

Wohlfahrt: Wir wissen nicht, wie das Spiel ausgeht. Ich habe bei Amtsantritt vor rund sieben Wochen gesagt, dass ich eine geraume Zeit benötige, um mir einen Überblick zu verschaffen. Der Verein hat sie mir zugebilligt. Ich mache Analysen, die müssen unabhängig vom Derby sein. In der nächsten Woche gibt es mehrere Sitzungen mit dem Präsidium, dem Aufsichts- und Verwaltungsrat. Dort werden sicher Entscheidungen getroffen.

Standard: Tut Ihnen Baumgartner manchmal leid?

Wohlfahrt: Da ich eine soziale Einstellung habe und weiß, dass es immer noch um Menschen geht, wäre Mitleid vielleicht zu hart, aber unangenehm ist die Situation allemal. Vor allem für Baumgartner. Mich regen die Berufsnörgler und Berufskritiker, die alles besser wissen, auf. Da ist es völlig wurscht, wer Trainer oder Sportdirektor ist. Die Unzufriedenheit der echten Fans verstehe ich. Ich bin ihnen verpflichtet, habe keine Sekunde gezögert, den Job zu übernehmen. Die Austria ist mir eine Herzensangelegenheit.

Standard: Sie kennen den Verein in- und auswendig. Besteht da nicht die Gefahr der Freunderlwirtschaft und Betriebsblindheit? Rapid besetzte zuletzt den Posten mit Außenstehenden, auf Helmut Schulte folgte Andreas Müller.

Wohlfahrt: Beides kann gut sein. Es ist halt so, dass für die Medien negative Sachen interessanter sind. Warum sollte ich zur Austria eine Distanz haben? Das wäre lächerlich. Ich werde mich nicht zurückhalten, meine Meinung sagen. So war ich auch als Fußballer. Ich war nie der, der nur im Tor gestanden ist. Ich war der Offensive, der Extrovertierte, der keinem Stress aus dem Weg gegangen ist.

Standard: Sind Torhüter wirklich eigene Typen?

Wohlfahrt: Ja, weil sie im Sommer Handschuhe tragen. Der Spruch stammt vom Andi Ogris.

Standard: Sie sind nicht Sportvorstand, sondern nur Sportdirektor, der Wirtschaftsvorstand Markus Kraetschmer ist Ihnen vorgesetzt. Was sind die Gründe dafür?

Wohlfahrt: Da muss man den Verein fragen. Ich habe immer nur über den Posten des Sportdirektors gesprochen. Dass mein Vorgänger Thomas Parits auch Sportvorstand war, ist eine andere Geschichte. Es ist ganz klar, dass zum Beispiel über den Cheftrainer nicht alleine der Sportdirektor entscheidet. Das ist überall so.

Standard: Wie soll sich die Austria positionieren? In Österreich ist es in, ein Ausbildungsverein zu sein.

Wohlfahrt: Das geht mir im Moment noch zu weit, der Tag hat nur 24 Stunden. Es gibt Ideen, was wir im Ausbildungsbereich verbessern können. Wir haben zum Beispiel nur einen Tormanntrainer für drei Mannschaften. Da herrscht unbedingt Bedarf. Aber es ist nicht so, dass wir in ein Ladl reinfahren und beliebig Geld rausnehmen können.

Standard: Die Austria galt in der Vergangenheit als Vertreter des schönen, gepflegten Fußballs. Muss man sich von diesem Klischee oder auch Faktum verabschieden?

Wohlfahrt: Nein. Wir haben die Vision, den feinen Fußball zu pflegen, Tradition verpflichtet. Wir müssen in der Ausbildung darauf schauen. Immer nur Kaufen geht nicht, die Kohle haben wir nicht. Vielleicht schaffen wir es, einen neuen Prohaska zu kreieren. Oder einen Sindelar. Das sind Vorbilder. Sind wir aber nicht in der Lage, die konditionellen Aspekte, die international üblich sind, zu erfüllen, dann hilft uns das ganze schöne Kicken nichts. Wir leben nicht mehr vor 30 Jahren, da konnte man den Ball langsam annehmen, dribbeln und gaberln. Das sind Gespräche für den Stammtisch. Sind die Spieler nicht topfit, hast du heutzutage keine Chance. Es geht um Ausdauer, Schnelligkeit, Kraft, um das taktische Verständnis. Wir leben in einer komplett anderen Welt.

Standard: Aufgrund der eigenen oder eigenartigen Gesetzmäßigkeit des Wiener Derbys müsste die Austria am Sonntag eigentlich gewinnen. Denn Rapid hat zehn Punkte mehr, ist Zweiter, also Favorit.

Wohlfahrt: Schön wär's. Ein Sieg täte uns allen gut. (Christian Hackl, DER STANDARD, 7.3.2015)