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Unter Finanzminister Josef Pröll wurde die Hypo Ende 2009 verstaatlicht. Dass die Bayern sich die Insolvenz gar nicht hätten leisten können, hat der Staat erst später erkannt.

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Wien - Der Streit zwischen Wien und München rund um die Hypo Alpe Adria hat eine neue Facette dazubekommen. Die Republik hat eine Irrtumsanfechtungsklage gegen die BayernLB eingebracht. Der Staat will so den Hypo-Kaufvertrag von Ende 2009 anfechten und begründet das u. a. mit Täuschung, Irrtum und Wucher. Allerdings will die Republik den Verstaatlichungsvertrag nicht rückgängig machen, sondern ihn korrigieren lassen. 3,515 Milliarden Euro soll Hypo-Verkäuferin BayernLB nachzahlen.

Das Handelsgericht Wien hat die 119-seitige Klagsschrift bereits zugestellt, inzwischen sind die Klagsbeantwortungen eingelangt. Aus prozessualen Gründen wurde auch die Hypo-Abwicklungsgesellschaft Heta geklagt.

"Listig in die Irre geführt"

Laut Klage sieht sich die Republik vom Ex-Hauptaktionär "unter Druck" gesetzt und "falsch informiert, wenn nicht sogar listig in die Irre geführt". Die Bayern hätten den Kapitalbedarf der Hypo zu niedrig angegeben und nicht darüber aufgeklärt, dass ihre Hypo-Refinanzierungslinien gemäß Eigenkapitalersatzrecht "von einer Rückzahlungssperre erfasst waren". (Die Bayern werten das Geld freilich als Kredit.)

Hätte die Republik gewusst, wie es um die Hypo wirklich steht, hätte sie bestimmte Bedingungen im Notverstaatlichungsvertrag "niemals akzeptiert". Kippen will man etwa das Zustimmungsrecht der Bayern zu Abspaltungen und die Garantie der Republik für BayernLB-Kredite. Diese Haftung hat die Münchner Ex-Aktionärin inzwischen schon eingeklagt.

Die "Drucksituation" beschreibt die Klägerin so: Im Dezember 2009 sei man "plötzlich damit konfrontiert gewesen", dass die Bayern die Hypo "fallen lasse". Zwecks Insolvenzvermeidung ... sei die Notverstaatlichung "unvermeidlich" gewesen. Dadurch, dass die Bayern auch noch 600 Mio. Euro "rechtswidrig" aus der Hypo gezogen hätten, hätten die Bayern eine "Dynamik ausgelöst", um der Republik "eine echte fundierte Kaufentscheidung nicht zu ermöglichen".

Späte Erhellung

Die Republik argumentiert, sie hätte die Hypo angesichts der Zahlungsunwilligkeit der Deutschen und angesichts der Pleitegefahr sowieso verstaatlicht - aber die Bayern hätten mehr zahlen müssen. Wie man auf die 3,515 Mrd. Euro kommt: Bei der Verstaatlichung ging man von einem Kapitalbedarf von 2,1 Mrd. Euro aus, die Bayern zahlten 825 Mio. Euro ein, das sind 40 Prozent. Tatsächlich betrug der Kapitalbedarf laut Republik aber sage und schreibe 10,85 Mrd. Euro, die Bayern hätten das gewusst. 40 Prozent davon sind 4,34 Mrd.; die bezahlten 825 Mio. abgezogen macht 3,515 Mrd.

Die BayernLB weist die Vorwürfe zurück, die Republik habe in der Klage keinen einzigen Beweis für den behaupteten "Wissensvorsprung" angeboten.

Dass eine Hypo-Pleite die Bayern 8,2 Mrd. Euro gekostet hätte und daher "keine realistische Option gewesen wäre", das habe sich für die Republik erst später "erhellt", heißt es in der Klage.

Verdacht auf Bilanzfälschung

Die Frage nach der Richtigkeit der Hypo-Bilanzen beschäftigt nun auch die Justiz. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt auf Basis einer Anzeige der FMA seit Ende Jänner wegen des Verdachts der Bilanzfälschung. Es geht ums Jahr 2009, geprüft wird laut einem Behördensprecher, ob die Beteiligungen und Finanzierungen im Jahresabschluss fehlerhaft bewertet wurden. Zudem werde geprüft, ob auf Konzernebene die Wertberichtigungen für die Leasinggesellschaften und Kredite ausreichend gewesen sind.

Die Basis für die Anzeige liegt im Hypo-Gutachten zur Bayern-Ära. Das hat der Grazer Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner erstellt, der Ende 2014 zum Schluss kam, dass die Wertberichtigungen für die Leasinggesellschaften in Summe um rund drei Milliarden zu gering ausgefallen seien.

Die Namen der Verdächtigen nennt die WKStA nicht; eine konkrete Verdachtslage bestehe noch nicht. Das Jahr 2009 war für die Hypo das letzte der Bayern-Ära. Die Bilanz wurde nach der Verstaatlichung erstellt. Der im Jänner neu bestellte Aufsichtsrat wurde von Johannes Ditz geleitet, ab März 2010 war Gottwald Kranebitter Vorstandschef. Der Verlust im Hypo-Konzern betrug 2009 fast 1,6 Mrd. Euro. (Renate Graber, DER STANDARD, 7.3.2015)