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Militärpolizei im Einsatz gegen Demonstrierende, Chilpancingo, 6. Februar 2015: die Exekutivgewalt ist in Mexiko auf verschiedene Polizeieinheiten aufgeteilt.

Foto: AP/Alejandrino Gonzalez

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Ein alltäglicher Anblick in Mexiko: Angehörige suchen nach vermissten Familienmitgliedern.

Foto: REUTERS/Tomas Bravo

Enrique Peña Nieto ist Mexikos unbeliebtester Präsident seit langem. Derzeit würden ihm Umfragen zufolge lediglich 25 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme geben. Neben seiner Bildungsreform und der umstrittenen Öffnung des staatlichen Ölkonzerns Pemex für ausländische Investoren haben vor allem die schleppenden Ermittlungen im Fall der Ende September entführten 43 Lehramtsstudenten seinem Ansehen geschadet.

Der Fall zeigt deutlich, welchen Einfluss kriminelle Organisationen auf die mexikanischen Behörden ausüben: Laut offiziellen Ermittlungsergebnissen beauftragte ein korrupter Bürgermeister die örtliche Polizei, die jungen Männer zu verschleppen und einer Bande zu übergeben, die ihre Opfer getötet und verbrannt haben soll. 22 Polizisten wurden nach dem Vorfall verhaftet.

Bürgermilizen in Westmexiko

Vor allem in den dünn besiedelten Provinzen Westmexikos, wo die Staatsmacht traditionell schwach ist, haben sich als Reaktion auf die Korruption und Untätigkeit der Polizei Bürgermilizen gebildet, die in Eigenregie für Recht und Ordnung sorgen wollen.

"Wenn solche Gruppen Unterstützung der lokalen Behörden erhalten", sagt der US-Strafrechtler Roy Fenoff zum STANDARD, "ist leider nicht zu erwarten, dass sie zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beitragen. Diese Amtsvertreter sind nämlich oft genauso korrupt wie die Bundesbehörden, und die organisierte Kriminalität übt großen Einfluss auf Lokalpolitiker aus."

"Wenn Bürgerpolizeien effizient Verbrechen bekämpfen sollen, müssten sie zuerst das Vertrauen der Bevölkerung erlangen – dem Großteil der Mexikaner fehlt dieses nämlich gegenüber Behörden und Polizei", so Fenoff.

Vier Millionen für Giuliani

Versuche, das schlechte Image der Polizei zu verbessern, gab es in der Vergangenheit immer wieder. So wurden 2007 in Mexiko-Stadt 4.000 männliche Polizisten entlassen und durch Frauen ersetzt, weil diese "ehrlicher" seien. Eine Gruppe von Geschäftsleuten engagierte den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, um Reformvorschläge zu liefern.

Giuliani kassierte ein Honorar von mehr als vier Millionen Dollar für eine Liste mit 146 Verbesserungsmöglichkeiten, die einen Rückgang der Kriminalität um zehn Prozent pro Jahr bewirken sollten, deren Großteil allerdings nie umgesetzt wurde.

Andrés Manuel López Obrador, linker Bürgermeister (2000–2005) der Hauptstadt, versuchte eine "Stadtteilpolizei" einzuführen, deren Offiziere bei runden Tischen mit der Zivilbevölkerung und Vertretern der Universität UNAM Sicherheitsfragen diskutieren sollten. Die Beteiligung der Stadtbewohner war allerdings minimal: Laut dem Latinobarometer 2013 haben mehr als 70 Prozent der Mexikaner wenig oder kein Vertrauen in die Polizei.

Zentralregierung beschwichtigt

"Wenn es zu Menschenrechtsverletzungen kommt", erklärt Fenoff, "bleiben die lokalen Behörden oft untätig, und die erste Reaktion der Zentralregierung ist oft, die Missstände herunterzuspielen. Deswegen bleibt den Bürgern nur die Möglichkeit, selbst Polizeikräfte zu bilden."

Der mangelnde Wille, Verbrechen aufzuklären, zeigte sich auch bei der Suche nach den entführten Studenten: In der Nähe der Stadt Iguala wurde bei der Suche nach den Vermissten ein Massengrab entdeckt. Nachdem festgestellt wurde, dass die Leichen darin nichts mit dem aktuellen Fall zu tun hatten, zeigten die Behörden kein weiteres Interesse an der Grabstätte. Laut der mexikanischen Zeitung "Excelsior" gründeten besorgte Anrainer daraufhin eine "Bürger-Gerichtsmedizin", die in Eigenregie DNA-Proben von Angehörigen Vermisster sammelt und eine Datenbank erstellt, um die Identität der Toten festzustellen.

"Für viele Mexikaner sind Ordnungskräfte und organisiertes Verbrechen ein und dasselbe, sie erwarten nicht, dass die Polizei eine ehrliche und ernsthafte Untersuchung einleitet ", so Fenoff, der darin ein Zeichen für eine mangelnde Legitimität der Regierung sieht: "Die Bürger sind verzweifelt und haben das Gefühl, dass ihnen keine andere Möglichkeit bleibt, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen."

Das UN-Komitee gegen das Verschwindenlassen von Menschen hat mittlerweile angekündigt, im Fall der entführten Studenten eigene Ermittlungen einleiten zu wollen. Ob die Delegation dabei auf die Unterstützung der mexikanischen Behörden hoffen kann, ist fraglich: Nach einem Mexiko-Besuch des Komitees im Jahr 2011 hielt der Abschlussbericht fest, dass "nicht alle Verschwundenen von … kriminellen Gruppen verschleppt" worden seien, auch der Staat lässt Menschen verschwinden". (Bert Eder, derStandard.at, 5.3.2015)