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Ein Bild ganz nach dem Geschmack des Hauptdarstellers: Tayyip Erdogan während seines Kuba-Besuchs im Februar vor der Statue der nationalen Symbolfigur, des Schriftstellers José Martí, in Havanna.

Foto: EPA / Alejandro Ernesto

Ankara/Athen - Zusammenreißen sollen sie sich gefälligst, hat der mächtigste Mann im Staat den Zentralbankchef gewarnt, aber auch seinen Staatsminister für Wirtschaft und Vizepremier Ali Babacan, den wohl wichtigsten Garanten der Türkei in der internationalen Finanzwelt. Tayyip Erdogan ist dieser Tage auf Besuch in Saudi-Arabien und nimmt die Vermittlung des saudischen Königshauses in Anspruch, um die Beziehungen zu Ägypten und dem Putschpräsidenten Abdelfattah al-Sisi zu reparieren, den der türkische Staatschef so verachtet. Doch nach innen, in die türkische Politik und Gesellschaft, teilt Erdogan nun mit noch größerer Härte aus. Seine Botschaft: Ich bin der Staat.

Mit Babacan und Erdem Basci, dem Gouverneur der Zentralbank, wird er ein Wörtchen zu reden haben, so kündigte der türkische Präsident schon auf der Reise an. Seit langem geht der Streit um die Senkung der Leitzinsen. Babacan und Basci sperren sich, Erdogan will sie, um den Konsum anzukurbeln und - wie er glaubt - die Inflation zu senken. "Das ist meine These", sagte Erdogan, Basci sage das Gegenteil; "das ist der Beweis dafür, dass er auf dem falschen Weg ist", folgerte Erdogan.

Absturz der Lira

Der Druck auf den Zentralbankgouverneur, der eigentlich unabhängig in seinen Entscheidungen sein soll, hat die türkische Lira in den Keller stürzen lassen, über die psychologische Marke von 2,50 für den US-Dollar hinaus. "Ich muss nicht sagen, was andere sagen", erklärte Erdogan den mitreisenden türkischen Journalisten. Neue Gerüchte über Babacans Rücktritt sind dementiert worden.

Noch einmal stehen Wahlen vor der Tür, die letzten für die nächsten vier Jahre und für Erdogans erste Amtszeit als Präsident. Anfang Juni wird ein neues Parlament gewählt; für Erdogan geht es darum, dass seine konservativ-islamische Partei AKP eine Zwei-Drittel-Mehrheit erringt und damit im Alleingang die Verfassung ändern kann. Erdogan will endlich ein Präsidialsystem und das Amt des Premiers gleich abschaffen. Die Koexistenz mit Ahmet Davutoglu, seinem früheren Außenminister und engen Berater, geht ihm merklich auf die Nerven.

Der Fidan-Faktor

Dass sich der Regierungschef bisher nicht mit großen Unterstützungsadressen für den Verfassungswechsel hervorgetan hat, ist genau registriert worden. Dafür ist Hakan Fidan zurückgetreten, der mächtige Geheimdienstchef und Erdogan-Vertraute. Fidan will für das Parlament kandidieren und dann einen führenden Regierungsposten haben. Beobachter in Ankara sind immer noch nicht ganz schlüssig, was das alles bedeutet: ein Gegengewicht zu Davutoglu oder aber ein Bündnispartner für Davutoglu gegen den Staatschef?

Erdogan geht derweil mit aller Macht gegen seine Kritiker in der Gesellschaft vor. Mittlerweile mehr als 60 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung sind am Laufen. Es geht längst nicht mehr um Zivilklagen und Entschädigungszahlungen wie zu seinen Zeiten als Regierungschef von 2003 bis 2014. Erdogan lässt auf Grundlage des Artikels 299 des türkischen Strafrechts klagen, der Haftstrafen zwischen ein und vier Jahren vorsieht. Es trifft alle: Lehrer, minderjährige Schüler, Schauspieler, Journalisten, die frühere Schönheitskönigin Merve Büyüksaraç, die ein Gedicht auf Erdogan aus einem türkischen Satiremagazin im Internet verbreitete.

Kalkül mit der PKK

Auch der Fortgang der Verhandlungen mit der kurdischen Untergrundbewegung PKK über eine Friedensregelung wird als Teil von Erdogans Wahlkampfstrategie, aber auch seines Anspruchs als die alles entscheidende Figur im türkischen Staat verstanden. Erdogans enge Vertraute, Vizepremier Yalcin Akdogan und Innenminister Efkan Ala, waren es, die sich am vergangenen Wochenende mit einer Delegation der Kurden- und Linkspartei HDP trafen und anschließend das Angebot des PKK-Gründers Abdullah Öcalan zu einer Entwaffnung der Untergrundarmee vortragen ließen.

Die PKK selbst nahm die Verlautbarung ihres inhaftierten Gründers höflich auf; der Ko-Vorsitzende der HDP und frühere Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas stellte die Absichten der AKP infrage. Erdogans Kalkül, so heißt es, sei, sich einerseits den Türken als Friedensmacher darzustellen; andererseits aber zu verhindern, dass der HDP erstmals der Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde bei den Parlamentswahlen gelingt. (Markus Bernath, DER STANDARD, 5.3.2015)