Als langjähriger Mitarbeiter von Frau Bundesministerin Hertha Firnberg und als einziger noch lebender Zeitzeuge der Willensübereinstimmung zum Kaufvertrag zwischen Erich Lederer und der Republik Österreich bin ich einer Vertreterin der Kommission für Provenienzforschung für ein ausführliches Interview zur Verfügung gestanden und gehe davon aus, dass von der Kommission ein tatsachengerechtes Gutachten erwartet werden darf. Angesichts verschiedener Bemühungen, die Causa als "unredlich erworbenes Raubgut" darzustellen, möchte ich mich nun doch noch in der öffentlichen Diskussion zu Wort melden, zu objektiver Wahrheit und zu juristischer Tatsachengerechtigkeit beitragen.

Der Versuch, den Erwerb des Frieses durch die Republik als "unrechtmäßig" darzustellen, ist den Erben von Erich Lederer und deren Anwälten nicht zu verübeln. Ganz nach dem Motto: "Man wird es ja noch versuchen dürfen". Wenn Anwalt und Erbenvertreter Alfred J. Noll allerdings so tut, als würden die Erben bzw. er als deren Anwalt keinerlei Aktivitäten oder Handlungen zu einer allfälligen Rückgabe - richtiger: Rückabwicklung eines willensübereinstimmenden Kaufvertrages - gesetzt haben, ist das nicht zutreffend. Genauso wie der Umstand, dass das Verfahren beim Kunstrestitutionsbeirat lediglich von Amts wegen, ohne "Anregung von außen", aufgenommen wurde und womöglich eine bloß "interne Prüfung" im Zusammenhang mit dem Kunstrückgabegesetz (KRG) sei. Und ebenso wenig trifft die Behauptung zu, dass der Klimt-Fries Erich Lederer von der Republik Österreich möglicherweise "abgepresst" worden sein könnte.

Wer war der Anreger?

Tatsache ist, dass die "Überprüfung" durch die Provenienzforschung - wie dies in einer Stellungnahme der Secession in dieser Causa auch angemerkt wird - aufgrund einer "mit 14. 10. 2013 datierten 'Anregung der Rückgabe' des Beethoven-Fries, welche die antragstellenden Personen (' Anreger') nicht erkennen lässt", erfolgte. Tatsache ist weiter, dass Rechtsanwalt Noll bei jeder sich bietenden öffentlichen Gelegenheit im Zusammenhang mit dem KRG zumindest "von der Notwendigkeit der Überprüfung auch des Klimt-Fries-Ankaufs" und von einer "Rückgabeforderung" spricht. Zu den Fakten:

  • Dass der Klimt-Fries, der übrigens laut Feststellung des Bundesdenkmalamtes über Wunsch der Familie Lederer bereits 1930 unter Denkmalschutz gestellt wurde und damit automatisch einem Ausfuhrverbot unterlag (und so ohne Zustimmung des Bundesdenkmalamtes - gleich an wen - nicht zu verkaufen war), ist insoweit weder verwunderlich noch ungesetzlich, als es sich bei diesem Kunstwerk eben unbestritten um ein Kulturgut von hervorragendem gesamtösterreichischem Rang und Interesse handelte bzw. handelt.
  • Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Republik bzw. die für Kulturangelegenheiten zuständigen Stellen im Bestreben möglichster Sicherung von besonderem Kulturgut im Anschluss an die im Jahre 1946 erfolgte Rückstellung gegenüber Herrn Lederer nicht immer "entgegenkommend" verhalten haben mögen, so ist der Klimt-Fries doch auch nie Gegenstand irgendwelcher "Gegengeschäfte" gewesen. Es gibt auch keinen Hinweis, dass - wie in zahlreichen anderen Fällen - das Ausfuhrverbot eingesetzt worden wäre, um den Kauf zu "erpressen", oder dass auf Lederer in irgendeiner Form "ungesetzlicher Druck" ausgeübt worden wäre (insbesondere gilt dies für Bundeskanzler Kreisky und Ministerin Firnberg). "Beide Seiten", wie Erich Lederer mehrfach klarstellte bis beklagte, "waren sich einfach nicht nähergekommen". Es lag ihm persönlich daran - allein schon wegen der Tatsache, wonach der Fries infolge seines Zustands (siehe die Dokumentation des Bundesdenkmalamtes vor der umfassenden Restaurierung) einen Transport ins Ausland wohl kaum überstanden hätte -, dass der Fries ihm abgekauft werden und solchermaßen in Österreich in würdiger Form verbleiben sollte.
  • Allgemein bekannt ist die Tatsache, dass jedenfalls ab dem Jahre 1970 mit der Regierung Kreisky eine völlig neue Situation im Verhältnis der Republik Österreich zu Erich Lederer eingetreten ist. Das erste Zugehen von Bruno Kreisky auf Lederer unmittelbar nach Regierungsantritt ist mehrfach dargestellt worden, ebenso wie der weitere Ablauf bis zum Ankauf des Klimt-Frieses durch die Republik. Dass Bundesministerin Firnberg nicht unmittelbar nach Regierungsantritt handeln konnte, lag in dem Umstand, dass sie bis Ende Juli 1970 "Bundesministerin ohne Portefeuille" war und erst ab Herbst 1970 als zuständiger Bundesministerin sich dieser Angelegenheit annehmen konnte. In der weiteren Folge wurde einerseits Klarheit über den Zustand des Klimt-Frieses herbeigeführt und wurden andererseits Schätzungen zu einem möglichen Kaufpreis eingeholt. Weiter gab es mehrere Kontakte Firnbergs mit Lederer, der sie schließlich einlud, ihn doch einmal in Genf, wo er seinen Wohnsitz hatte, zu besuchen. Eine parlamentarisch-wissenschaftliche Konferenz des Europarates in Lausanne im April 1972 bot eine gute Gelegenheit, den seit längerem geplanten Besuch zu realisieren.
  • Als einziger (noch lebender) Zeitzeuge kann ich wahrheitsgemäß von dem Abendessen im Hause Lederer und dem Gespräch bzw. Vertragsverhandlungen Firnbergs mit Lederer Zeugnis geben, bei dem die Einigung über den Ankauf des Klimt-Frieses erfolgte, wie ich dies auch der Kommission für Provenienzforschung gegenüber tat: Nach einem herzlichen Empfang fanden die Gespräche in einer heiteren und entspannten, ja geradezu amikalen Atmosphäre statt, wobei Lederer unter anderem ausführlich darüber erzählte, wie Klimt im Hause Lederer ein- und ausgegangen sei und zum Beispiel auch meistens als Dank für die jeweilige Einladung auf einem Skizzenblock eine Zeichnung hinterlassen habe. Im Laufe des Abends ist es dann zwischen Lederer und Firnberg zu einer Einigung über den Ankauf des Frieses durch die Republik Österreich gekommen, wobei Lederer mehrfach betonte, wie sehr er daran interessiert sei, dass der Klimt-Fries 1. in Österreich bleiben und 2. an möglichst prominenter Stelle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden solle. Bei jeglicher Bewertung des Ankaufs ist davon auszugehen, dass die Willensübereinstimmung in voller Harmonie und ohne irgendwelchen "Druck" erfolgte.
  • Diese Willensübereinstimmung sei auch angesichts der Behauptung, "der Kaufpreis (15 Millionen Schilling) würde nicht dem wahren Wert bzw. dem 'Marktwert' entsprochen haben", nachdrücklich betont. Wobei überdies auch noch zu erkennen ist, dass die seinerzeitigen Schätzungen, die auch Lederer bekannt waren, und ohne die damals noch gar nicht in voller Höhe abschätzbaren Kosten der Restaurierung zu kennen, in einer Bandbreite von 5 bis 25 Millionen Schilling lagen. Dass auch den Kaufpreis betreffend keinerlei "Druck" auf Lederer ausgeübt wurde, vermag allein schon die Tatsache zu belegen, dass Firnberg mit Lederer eine Bedenkzeit von wenigstens 14 Tagen vereinbarte, die es Lederer ermöglichen sollte, allenfalls den Verkauf an die Republik Österreich "noch einmal zu überdenken".
  • Wenn schließlich der Umstand, dass Lederer Frau Minister Firnberg zum Abschied als Ausdruck seiner besonderen Freude und auch Dankbarkeit für die glückhafte Beendigung einer "langen, wechselvollen Geschichte" eine Originalzeichnung von Gustav Klimt schenkte, so ist dies ein weiterer, entscheidender Beweis für einen Ankauf ohne jeglichen "Druck" und die Harmonie der Einigung.

Ohne Stimmungsmache

Dies sind ohne jegliche "Stimmungsmache" die Tatsachen sowie der Rechtszustand, wie sie jeder Beurteilung durch eine Provenienzforschung ebenso wie für eine allfällige Entscheidung durch den zuständigen Bundesminister zugrunde zu legen wären. Nämlich die Fragen, ob 1. zu irgendeinem Zeitpunkt auf Erich Lederer ein juristisch ungesetzlicher oder auch nur "moralischer" Druck ausgeübt und/oder 2. im Zusammenhang mit einem zivilrechtlichen Vertrag über den Ankauf eines Kunstwerkes durch die Republik ein Verhalten seitens der Republik als Käuferin gesetzt wurde, so insbesondere was Willensübereinstimmung oder Kaufpreis betrifft, welche eine Ungültigkeit des Kaufvertrages herbeiführen oder eine "Rückabwicklung" veranlassen könnten. Beides ist im Einklang mit den Fakten zu verneinen. Sohin: kein "Raubgut", kein Fall für eine "Restitution". (Wolf Frühauf, DER STANDARD, 5.3.2015)