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23 Milliarden Euro an Staatshilfen will Großbritannien für den Ausbau des AKWs Hinkley Point aufbringen. Daran, dass auch die EU dazu kräftig beitragen soll, gibt es nicht nur aus Wien harte Kritik.

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Natalie Bennett, Grünen-Chefin in London, kämpft um britische Wählerinnen und Wähler.

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Die Renaissance des britischen Atomprogramms wird zum Wahlkampfthema und belastet Londons Verhältnis zur EU. Unterstützt von ihrer Fraktion im EU-Parlament prangern die britischen Grünen den geplanten hochsubventionierten Reaktorbau Hinkley Point als Verschwendung von Staatsgeld und gefährlichen Präzedenzfall für die EU an. Das Projekt sei auch "ein ökonomisches Desaster", argumentiert dazu etwa Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Brüssel. Auch Österreich hat schon eine Klage angekündigt. Nun schließt sich der Hamburger Ökostrom-Erzeuger Greenpeace Energy an.

Wenige Tage vor dem vierten Jahrestag der Kernschmelze von Fukushima diskutieren die grünen Parlamentarier heute, Donnerstag, mit japanischen Fachleuten über die Folgen der Katastrophe. Zu Wort kommen auch politische und juristische Gegner des geplanten Reaktor-Neubaus im englischen Südwesten. "Die Region hat ein riesiges Potenzial für erneuerbare Energien", sagt die britische grüne Europa-Abgeordnete Molly Scott Cato.

Das Projekt hat für eine Verstimmung zwischen den EU-Partnern gesorgt. Britische Regierungsbeamte drohten Wiens Botschafter in London, Martin Eichtinger, mit Vergeltungsmaßnahmen und Gegenklagen, so dessen Bericht in die Heimat, falls sein Land die Klage einreiche. Daraufhin kam es am Rand eines EU-Gipfels zu einem kühlen Wortwechsel zwischen Premier David Cameron und Kanzler Werner Faymann. Die Briten pochen auf ihre nationale Souveränität.

Große Mehrheit für Atomstrom

Anders als in vielen kontinentaleuropäischen Ländern befinden sich die britischen Grünen (Umfragewert: sechs Prozent) mit ihrer Ablehnung von Atomstrom in einer Minderheit. Umfragen ermitteln immer wieder Zustimmungsraten von zwei Dritteln für Atomenergie. Die letzte Labour-Regierung leitete die Planung für neue Reaktoren ein, die konservativ-liberale Koalition unter Premier David Cameron hat das Programm vorangetrieben. Hauptargument ist dabei stets der gegenüber Kohle und Gas klimafreundliche Betrieb von AKWs. Uranproduktion, Anlagenbau und Entsorgung werden ausgeklammert.

Den britischen Grünen könnte die Tagung nun trotzdem Aufwind im Wahlkampf geben. Zwei Monate vor dem Urnengang ist die Parteivorsitzende Natalie Bennett bisher vor allem durch stotternde Medienauftritte aufgefallen. Zudem steht die Partei in der Kritik, weil sie ein Mindesteinkommen sowie ein massives Sozialwohnungsbauprogramm befürwortet, die Finanzierung der teuren Vorhaben aber offenlässt.

Garantierte Strompreise

Nun rückt eine andere Finanzfrage in den Fokus: Die Kosten für den AKW-Bau werden auf rund 34 Milliarden Euro veranschlagt. Die französische Staatsfirma EDF hatte 2008 den britischen Atombetreiber British Energy übernommen. Durch diese Stellung als Quasimonopolist konnte das Konsortium der Londoner Regierung weitgehende Zugeständnisse abringen. Neben staatlichen Kreditgarantien für den Bau bekommt EDF als Betreiber einen festgesetzten Abnahmepreis für die Dauer von 35 Jahren.

Insgesamt belaufen sich die Staatshilfen auf rund 23 Milliarden Euro. Dem britischen Genehmigungsantrag stimmte die frühere EU-Kommission im Oktober per Kampfabstimmung zu. Sobald diese Entscheidung offiziell veröffentlicht ist, sollen die angekündigten Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht werden.

"Ein mit Steuermilliarden gepäppelter Reaktorneubau ist keine rein britische Angelegenheit", sagt Sönke Tangermann von Greenpeace Energy. "Er benachteiligt uns als deutsches Unternehmen ganz direkt." Die österreichische Klage bezichtigt die Kommission einer falschen Interpretation ihrer Regeln: Hilfen dürfe es nur für neue Technologien geben. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 5.3.2015)