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Der Expertenbericht stellt auch Verbesserungen an der Neuen Mittelschule fest, aber keinen Erfolg.

Foto: apa/pfarrhofer

Wien – Im Unterrichtsministerium hat man sich noch immer nicht entschieden, wann der Zeitpunkt günstig wäre, um das Ergebnis der Evaluation der Neuen Mittelschule (NMS) bekanntzugeben. Dabei hatte Ferdinand Eder, Erziehungswissenschafter an der Uni Salzburg und mit der wissenschaftlichen Untersuchung der ersten beiden NMS-Jahrgänge federführend beauftragt, das Dokument bereits Anfang 2015 an das Bifie übermittelt.

Dort verwies man zuletzt auf eine "Reviewschleife", in der sich der Bericht gerade befindet. Die dürfte jetzt abgeschlossen sein, der Evaluationsbericht liegt dem STANDARD vor. Und er birgt einige bemerkenswerte Ergebnisse.

Durchwachsene Bilanz

Gemessen an den von den Wissenschaftern definierten vier Erwartungsbereichen fallen diese bestenfalls durchwachsen aus.

  • Erwartung eins: eine neue Kultur des Lehrens und Lernens. Die Wissenschafter konstatieren eine "verbesserte Schul- und Lernumwelt" und machen das an positiven Rückmeldungen zur Unterrichtsgestaltung und am Rückgang von Gewalt fest.

  • Erwartung zwei und drei: bessere Förderung überfachlicher Kompetenz (gemeint ist etwa soziales Zusammenleben) und Leistungsverbesserungen. Hier folgt das große Aber: Die verbesserte Lernumwelt wirke sich hier nämlich "nicht durchgehend und nicht konsistent" aus, und: "Es gibt keine belastbaren Hinweise, dass das Niveau der NMS im Durchschnitt über jenem vergleichbarer Hauptschulen liegt." Im Gegenteil: "Vielmehr bestehen Zweifel, ob dieses an allen Standorten tatsächlich erreicht wird." Bleibt die Verbesserung der Chancengleichheit: Auch dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt, bestenfalls für "Schüler mit Migrationshintergrund könnte es ein kleiner Vorteil sein, eine NMS zu besuchen".

Unzureichend umgesetzt

Grundsätzlich befinden die Wissenschafter, dass das NMS-Konzept an mehr als der Hälfte der Standorte "nur unzureichend umgesetzt" ist. Dort, wo die Ausgangslage dank motivierter Schulleitung und Lehrer oder hohen Leidensdrucks besonders günstig war, gibt es auch bessere Evaluierungsergebnisse. Die untersuchten Klassen der ersten und zweiten NMS-Generation hat man in vier Kategorien eingeteilt.

Diese reichen von den vorbildhaften "Modellklassen" (20,4 Prozent) über die "Plusklassen" mit "weniger intensiver Umsetzung des neuen Schulkonzepts" (26,0 Prozent) bis zur breiten Masse der "Normalklassen", die Wesensmerkmale der NMS wie Teamteaching oder eine Öffnung des Unterrichts mit Betonung auf autonomes Lernen bestenfalls durchschnittlich gut umgesetzt haben (31,6 Prozent). Zum Schluss werden noch die "Traditionsklassen" aufgelistet, die seit Untersuchungsstart 2008 zwar NMS heißen, im Wesentlichen jedoch weitergemacht haben wie zuvor.

Konkurrenz zu etablierten Schulformen

Für diese Befunde legen Eder und sein Team eine Reihe von Erklärungen und Einschränkungen vor – immer mit dem Verweis auf die beschränkten Möglichkeiten der Evaluation. Die fehlende Leistungsverbesserung erklärt man etwa damit, dass die NMS "nicht als Ersatz, sondern in Konkurrenz zu etablierten Schulformen eingeführt und sozial selektiv gewählt wurde". Ein genauerer Blick auf die Schülerperspektive zeigt: In Sachen Zufriedenheit und Wohlbefinden gibt es einen "kleinen Anstieg", auch bei den überfachlichen Kompetenzen (etwa Sozialkompetenz oder Lernstrategie) kommt es "nur ganz vereinzelt" zu "geringen Zuwächsen".

Das alles führt das Team um Ferdinand Eder unter anderem zu folgenden Empfehlungen:

  • Eine Konzentration der Maßnahmen auf Risikogruppen: Statt der erwarteten Förderung vor allem der Leistungsschwächsten zeige sich nämlich, "dass sich die Lernsituation der Leistungsschwächeren tendenziell verschlechtert hat".
  • Ressourcen fokussieren: Statt Teamteaching in Deutsch, Englisch und Mathe plädiert man für "individuelles Lerncoaching".
  • Negative Einflüsse des sozialen Hintergrunds besser ausgleichen: Endlich etwas, was Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) bereits angeregt hat – jene Schulen mit schwieriger sozialer Zusammensetzung sollen mehr finanzielle und personelle Mittel erhalten.

Den Beschluss der flächendeckenden Einführung hat die Regierung ohnehin schon längst getroffen: Aktuell firmieren 96 Prozent der früheren Hauptschulen als NMS. (Karin Riss, DER STANDARD, 4.3.2015)