Dem Brenner ging es auch schon besser: Josef Hader verkörpert in Wolfgang Murnbergers vierter Wolf-Haas-Verfilmung "Das ewige Leben" erneut den Detektiv, der eigentlich gar keinen Auftrag hat.

Foto: Lunafilm

Schlimmer kommt es oft, wenn es schon schlimm genug ist. In Das ewige Leben, der vierten Wolf-Haas-Verfilmung, verschlägt es den Brenner nach Puntigam, Graz. Ausgebrannt, wie er nun einmal ist, sucht er im wenig behaglichen Haus seiner Mutter Unterschlupf. Wenig später landet der uneitelste Serienheld des heimischen Kinos mit einer Kugel im Kopf im Spital. Eine frühe Klimax einer verwickelten Geschichte um zwei Männer, die mehr verbindet, als es zunächst den Anschein hat.

Wolfgang Murnberger hat erneut mit Josef Hader in der Hauptrolle inszeniert: Das ewige Leben wahrt den hübsch verschleppten Tonfall der bisherigen Filme - eine Verfolgungsjagd darf hier auch auf einem alten Puch-Moped erfolgen. Das Drama ist loser gebaut und stärker auf Befindlichkeiten der Figuren ausgerichtet: Tobias Moretti, Nora von Waldstätten und Roland Düringer sind die Neuzugänge im Reich des verlotterten Einzelgängers.

STANDARD: Wie ist das eigentlich, wenn man mit einer Figur älter wird? Ist Ihnen der Brenner schon sehr vertraut?

Hader: Der Brenner ist, so blöd das klingt, zunächst ein Arbeitsproblem. Was die Geschichte mit der Figur macht, das weiß man erst, wenn man sich als Schauspieler mit ihr auseinanderzusetzen beginnt. Das führt dazu, dass man eigentlich gar keine Beziehung zu ihr hat. Es gibt natürlich bestimmte Dinge, die man einfließen lässt, auch Dinge, die man an ihm mag. Und es kommt vor, dass man die Figur beim Dreh verteidigt: "Das macht der Brenner nicht."

STANDARD: In "Das ewige Leben" geht es um eher persönliche Dinge. Was gab den Ausschlag?

Hader: Wir wollten uns einfach nicht wiederholen. Die Filme sind ja auch weniger seriell angelegt als die Romane. Es ging darum, tiefer in die Figuren vorzudringen - nicht nur, was den Brenner betrifft. Die Idee war: Wenn jemand in das Haus seiner Mutter zurückkehrt, dann muss es dafür einen existenziellen Grund geben. Der Brenner beginnt also tief unten, und dann kommt er noch tiefer hinunter. Wir wollten mutig sein und nicht einmal den Ansatz eines Krimiversprechens machen.

STANDARD: Sie spielen mit Verband und Pflaster, Aschenbrenner, der von Moretti verkörperte Gegenspieler, hat ein schwaches Herz. Könnte man sagen, die Suspense kommt hier auch mit dem Alter?

Hader: Es sollte durchaus so ein existenzialistischer Kopffilm werden. Das sind alles Männer, Cops, die jetzt in einem Alter sind, in dem es nicht mehr so cool läuft. Das Alter ist grausam. Der eine, der erfolgreich ist, kann dem Erfolg nicht gerecht werden; und der Brenner merkt, dass dieses Selbstbildnis des Underdogs nicht mehr so einfach zu leben ist, wenn man Versorgungsängste hat und auf dem Weg zum Mindestrentner ist.

STANDARD: Eine fortschreitende Prekarisierung.

Hader: Ja, der zeitliche Abstand ist ganz wichtig. Die Hauptbewegung des Films ist das Resultat der Reibung zwischen den Figuren. Dadurch, dass die beiden Charaktere persönlich so viel verbindet, haben wir einige äußere Faktoren des Buches weglassen können.

STANDARD: Sie sind ja in vielen Bereichen des Films stark involviert - war Moretti beim Casting Ihr Wunschgegenspieler? Er hat hier etwas Seifiges, forciert nichts.

Hader: Einerseits. Aber man glaubt ihm auch, dass er ein gefühlvoller Mensch ist, der für seine Frau alles tut. Es gibt diese vergrabene Sehnsucht, dass er immer gern ein Freund vom Brenner gewesen wäre. Das haben wir erst bemerkt, als wir mit dem Tobias die Rolle gelesen haben.

STANDARD: Man braucht Proben, um die Parts zu vervollständigen?

Hader: Nicht immer, beim Knochenmann wussten wir genau, wie wir das schreiben. Da hatten wir die Besetzung früh im Kopf. Hier haben wir von den Schauspielern viel über die Rollen erfahren - das betrifft auch die Nora (von Waldstätten, Anm.). Wir waren uns nie ganz sicher mit dieser Figur, da ihr viel zugemutet wird. Bei der Nora war diese Glaubhaftigkeit da, gleichzeitig ist sie schrullig und witzig.

STANDARD: Schauspieler sagen ja gerne in Interviews ...

Hader: ... ich bin ja kein richtiger Schauspieler.

STANDARD: Aber ein Bühnenmensch. Viele sagen, dass sie die Bühnenerfahrung vorziehen, um mehr Kontrolle zu haben.

Hader: Jeder sehnt sich immer nach dem, was für ihn exklusiver ist. Ich stehe schon so lange auf Bühnen, dass ich sie überhaupt nicht mehr brauche. In den Pausen, die ich mir zum Schreiben nehme, ist mir die Bühne zuletzt nie abgegangen. Filme sind hingegen eher selten. Auch wenn ich da keine Selbstbestimmung habe, anderen mehr vertrauen muss, mache ich das daher sehr gerne.

STANDARD: Sie haben einmal gesagt, der Witz habe Erlösungskraft. Das sehen in diesen Zeiten manche anders. Satire wurde sogar zum Ziel von Terror. Darf Humor alles?

Hader: Ich glaube, man kann alles komisch behandeln, wenn man es richtig macht. Für Kabarett gilt da das Gleiche wie für Kunst: Man muss eine Spur Missverständnis in Kauf nehmen, wenn man etwas Interessantes machen will. Wenn die oberste Prämisse lautet, dass man nicht missverstanden werden will, dann erledigt sich die Kunst von selber. Das heißt, man muss Grenzen ausloten, doch es muss einem auch bewusst sein, dass man an Schrauben dreht.

STANDARD: Was antworten Sie dann denen, die zu höherer Sensibilität aufrufen? Ist das schon eine Einschränkung der Meinungsfreiheit?

Hader: Die jetzige Auseinandersetzung ist sehr äußerlich. Die einen wollen das Prinzip der freien Meinungsäußerung verkleinern, um niemanden vor den Kopf zu stoßen; die anderen tun so, als wäre alles, was den Islam betrifft, grundsätzlich fundamentalistisch. Das ist Mediendemokratie - und geht am Thema vorbei. Das Prinzip der Meinungsfreiheit ist eine historische Errungenschaft, von der man keinen Zentimeter zurückweichen darf. Ein Großteil der Muslime in Österreich denkt genauso: Auch sie sagen, dass Religion nicht den Staat bestimmen soll. Man tut aber so, als würde sich ganz Europa nur in Pariser Vororten oder in Neukölln abspielen. Das stimmt einfach nicht. Es gibt Problemzonen, aber weitgehend haut's ja hin.

STANDARD: Wird Provokation unter solchen Bedingungen schwieriger?

Hader: Provokation muss ja auch nicht grob sein, sie kann sehr klug sein. Für meine Arbeit sind politische US-Comedians wie Lenny Bruce oder Bill Hicks fast inspirierender als Kabarett gewesen. Das Kabarett darf alles, seit es keine Diktatur mehr gibt. Es tut aber oft so, als wäre immer noch Diktatur. Da werden mutige Helden dargestellt, aber im Grunde riskiert man nichts. Die Comedy ist in Amerika grundsätzlich ein Unterhaltungsbereich. Und die wenigen, die politisch sind, riskieren wirklich etwas. Es gibt Nummern von Lenny Bruce, die sind in ihrer kalkulierten Provokation einfach großartig: Es sind ganz feine Messer, mit denen da seziert wird. Ich glaube, die Form ist wichtiger als der Inhalt. Der Inhalt ist ohnehin in einem, ein Brei, in dem man herumrührt, wie Thomas Bernhard einmal gesagt hat. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 4.3.2015)