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Ein Häufchen Elend (l.) hörte auf den Rat von Verteidiger Christian Supper, gestand, entschuldige sich, zahlte schon Schmerzensgeld. Richter Rauter griff dennoch ins Schmalz: 21 Monat, sieben unbedingt.

APA/Herbert Neubauer

Eisenstadt – "Wie deppat kann einer sein?" Um diese Frage kreisen viele Strafverfahren. Aber so sehr, wie jenes gegen den 32-jährigen Maurer, der als "Halloween-Schütze" zu trauriger Prominenz verurteilt wurde, doch nur wenige. Nicht nur sein Verteidiger stellte diese Frage in mancherlei Variation. Auch dem Staatsanwalt schien sie naheliegend. Und Einzelrichter Wolfgang Rauter wollte "Ihnen das fast glauben", als der Angeklagte erläuterte, er habe sich an diesem inkriminierten Abend des 31. Oktober "eigentlich nix denkt".

An diesem 31. Oktober 2014 war er, der als stellvertretender Bezirksobmann in Oberpullendorf eine Karriere in der burgenländischen FPÖ vor sich hatte, im Haus des Halbbruders in Großhöflein. Er half bei Umbauarbeiten, man trank das eine oder andere Glaserl. Zwar lallte man noch nicht, griff aber doch ausgelassen zum kürzlich erworbenen Kleinkalibergewehr, um ein bisserl herumzuschießen in jenem Ort nahe Eisenstadt, wo Richter Rauter erst zwei Monate zuvor als Bürgermeister zurückgetreten ist. Der Angeklagte erwies sich dabei als treffsicher. Eine Red-Bull-Dose traf er aus 37 Metern.

"Jetzt brenn i an ane auf!"

In ungefähr dieser Entfernung ging da auf einmal auch eine Gruppe Halloween-lustiger Jugendlicher vorbei. Keineswegs laut oder anderweitig Halloween-lastig, wie auch der Angeklagte zugab. Dennoch kam ihm der Einfall: "Jetzt brenn i an ane auf."

Es war "ane", eine 13-jährige Schülerin, eine Läuferin mit Spitzensportambition. Sie stürzte, getroffen von dem Bleigeschoß, das sich immer noch in ihrem Körper befindet, zerschellt am Becken in drei große und 22 kleine Splitter. Sie fürchtet, "dass sich da noch was verschiebt". Bei langem Sitzen habe sie noch Schmerzen. Das Laufen über ihre Spezialdistanz, die 400 Meter, ginge schon, beim Ausdauertraining sei sie aber doch noch gehandicapt.

Bedingter Vorsatz

Opfer und Täter haben sich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld geeinigt, der Angeklagte entschuldigte sich "recht herzlich für diesen Blödsinn". Ein Blödsinn, in den noch weiter hineinzureiten er schon auf gutem Weg war. Staatsanwalt Christian Petö mahnte ausdrücklich, als er ihn nach seiner Zielauswahl befragte, - angeklagt war ja "absichtliche schwere Körperverletzung" - zu besonnener Antwort. Der Angeklagte versuchte es dennoch einmal auf dem Ausredeweg - "Gewehr nach unten gehalten", einfach abgedrückt. Ein Nichtzielen, ein In-die Gruppe-Schießen wäre allerdings ein Mordversuch gewesen. "Da reicht", so der Staatsanwalt, "der bedingte Vorsatz." Der Verteidiger konnte gerade noch eingreifen, ans zuvor Besprochene erinnern.

Verurteilt wurde der Ex-FPÖler vom Ex-FPÖler (Rauter führte die burgenländischen Blauen in den 1990ern) dann wegen "schwerer Körperverletzung" (Strafrahmen bis zu drei Jahre). Aus generalpräventiven Gründen "exemplarisch streng" zu 21 Monaten, davon sieben unbedingt. Vom "Vorwurf übermäßiger Intelligenz" (Rauter) wurde er freigesprochen.(Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 4. 3. 2015)