Das rebellische Herz Madonnas schlägt mittlerweile in ihrem Ellbogen. Mit dem reklamiert sie auf "Rebel Heart" ihren Platz. Bald könnte das tragisch werden.

Foto: Interscope

Wien- Madonna bemüht sich redlich. Sie hat die Ellbogen ausgefahren, wirft über 30 Jahre Erfahrung im Popgeschäft in den Ring und reklamiert ihren Platz. Was dabei herauskommt, klingt aber nur wie ein Streit zweier schlimmer Mädchen im Käfig unterm Basketballkorb: "Bitch, I'm Madonna." Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Madonna schon Großmutter sein könnte, nimmt einem das auch nicht gerade die Skepsis.

Nun gilt zwar, dass man niemandem sein Alter vorhalten soll, denn seltsamerweise werden wir alle jeden Tag um einen Tag älter, aber im unbarmherzigen Fach des Hochglanzpop zählen seit jeher die Kraft und die Energie der Jugend. Nur sie taugt als Projektionsfläche für die Zielgruppe, die irgendwo zwischen erstem eigenen Hello-Kitty-Handy und erstem Auto lebt. Und nirgendwo schaut man schneller alt aus als dort.

Man erinnere sich an Britney Spears, die mit Mitte zwanzig schon als altes Eisen abgelegt wurde. Aber gut, wenn Madonna, die als Queen of Pop eingeschätzt wird, auf ihrem kämpferisch Rebel Heart getitelten 13. Album ihren Platz auf diesem Terrain reklamiert, ist das verständlich. Sie kann ja gar nicht anders. Soll sie plötzlich ein Akustikalbum machen? Geht nicht.

Nachdem sie zwei Generationen Menschen mit ihrer Musik begleitet hat (wir sprechen von 300 Millionen verkauften Platten), ist sie der erste weibliche Popstar, der sich an der ewigen Relevanz samt siamesisch verwachsener Jugendlichkeit abmüht. Selbst wenn sie längst die Queen Mum of Pop ist. Da wirkt das Vokabular von Teenagern doch ein wenig aufgesetzt. Einerseits.

Andererseits hat die heute 56-Jährige der Welt trotz diverser Imagewandel immer das renitente Gör gezeigt. Das nannte man früher Provokation, und sie war dazu erschaffen, um im Pop Aufmerksamkeit zu generieren. Schon die Anmaßung, als nach der Mutter Gottes getauftes Mädchen halb nackt vor der Welt mit dem Arsch zu wackeln, veranlasste die Chronisten, die Ludergeschichte ihretwegen neu zu schreiben. Die Queen of Pop, sie ist auch die Queen of Popo.

Die 1958 geborene Madonna Louise Ciccone tauchte Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre in New York auf. Das war damals der heißeste Apple der Welt, in dem Subkulturen sich gegenseitig befruchteten und permanent Neuland schufen, von dem aus man die Welt erobern konnte.

Straße ins Nirgendwo

In den 1980ern, und teils in den 1990ern, bildete Madonna Pop auf Höhe der Zeit ab. Dazu kaufte sie angesagte Produzenten ein und ließ sich von ihnen den Sound maßschneidern, den Rest erledigte sie mit ihrem wandlungsfähigen Bühnencharakter. Bis heute hält sie an dieser Strategie fest, doch sie geht nicht mehr auf.

Für Rebel Heart beschäftigte sie Produzenten wie den Schweden Avicii sowie bereits etwas abgegriffene Typen wie Diplo oder den allgegenwärtigen Kanye West. Sie matcht sich mit Nicki Minaj und lädt den Rapper Nas und die gefallene Boxerlegende Mike Tyson zu Gastbeiträgen. Das alles mündet in eine Straße nach nirgendwo.

Imagemäßig gibt sie in dieser Saison Marilyn Monroe, die geht immer, gleichzeitig die ergebene Bondage-Gespielin. Deren Fesseln legte sie zur Promotion des Albums über die Antlitze von Bob Marley, Martin Luther King, Nelson Mandela und Jesus. Immerhin kam das katholische Mädchen so ins Gerede.

Zudem tauchten vor Monaten schon, vollkommen unerwartet, Demoversionen einiger Stücke im Netz auf. Diesen folgte Madonnas vielzitierte Erregung darüber, weil sie sich darob künstlerisch vergewaltigt fühlte. Eher künstlich, denn derlei Leaks zählen zum gängigen Marketingrepertoire.

Musikalisch besteht das Album aus gängigen Electro-Groove-Stücken, die mit akutem, Pardon, aktuellem Tschingderassabum Modernität suggerieren sollen. Dazwischen bettet sie einige hübsche Popstücke ein, die alte Qualitäten aufblitzen lassen.

Deplatziert mutet hingegen ein Stück wie Unapologetic Bitch an, das sich im Dub-Reggae versucht. Stimmverändernde Kompressoren lassen Madonna stellenweise wie Justin Biebers Mutter erscheinen, einzig die Tempi betreffend wirkt sie mit sich im Reinen. Die sind alle eher moderat. Atemlos durch die Nacht? Nicht mit Madonna. Nicht mehr. Sie muss das alles ja nicht nur singen, sondern dazu immer noch Tanzgymnastik machen. Bis der Rollator kommt. Zu erleben auf der kommenden Tour, die sie nicht nach Österreich führt. (Karl Fluch, DER STANDARD, 4.3.2015)