Der Nino aus Wien (links) und Ernst Molden wiederbeleben auf ihrem gemeinsamen Album "Unser Österreich" alte Austropop-Klassiker. Die Flagge hat allerdings ein wenig gelitten.

Foto: Ronnie Niedermeyer / Monkey

Wien - In einer großen deutschen Nachrichtensendung wurde am Wochenende ein Beitrag über die Wiener Band Wanda mit den Attributen "verraucht", "verschlampt" und "halb besoffen" angekündigt. Wenn man noch das Morbide, das Raunzerische und eine Familienpackung gemütlicher Bösartigkeit, gemischt mit Spritzwein, dazugibt, hat man die gängigen Klischees über das Wiener Wesen halbwegs beisammen.

Immerhin lebt der Wien-Tourismus ja längst nicht nur von Schnitzelpanier und Walzer, sondern auch davon, dass man sich hier in der letzten europäischen Bastion uneingeschränkter Dekadenz und Unvernunft während des Tschecherns auch ordentlich einpofeln kann. Alkohol- und Nikotinkonsum in der deutschen TV-Information. Wien, die lebensmüde wie lebensfrohe Selchkammer Europas, wir kommen!

Wanda gehen derzeit mit ihrem Debütalbum Amore und schönen Liedern wie Ich will Schnaps oder Stehengelassene Weinflaschen oder Schickt mir die Post ins Krankenhaus in Deutschland durch die Decke. Der Erfolg ist neben einer Musik, die sich bei lässig hingeschludertem Underground-Rumpelsound der letzten fünf Jahrzehnte auch auf Wolfgang Ambros und Konsorten beruft, auch diesen Vorurteilen geschuldet.

Auch beim in Deutschland sehr wahrscheinlich noch erfolgreicher werdenden Wiener Quartett Bilderbuch und ihrem eben erschienenen neuen Album Schick Schock findet man zwischen Falco, Peter Cornelius und EAV jede Menge Austropop-Zitate und Verweise darauf, dass das Wiener Strizzitum wieder Saison hat.

Frühe Vorreiter einer wieder ohne Scham und Abscheu im "Heast, Oida!"-Idiom wildernden Austropop-Welle zwischen Kritzendorf, Blume aus Stadlau, Kahlenberg und Alberner Hafen waren schon vor einigen Jahren die zwei Musiker Ernst Molden und Der Nino aus Wien.

Mit Songperlen wie Ninos Du Oasch oder Moldens Hammerschmidgossn wurde parallel zur mittlerweile längst ins Kraut schießenden Revitalisierung der Wienerlied-Szene eine lange Jahre geächtete Kunstform namens Austropop beherzt fortgeführt. Die wird zwar als österreichisch definiert, hat sich aber inhaltlich immer auf Wien konzentriert.

Im Falle des Ninos aus Wien war das nicht nur mit einer verstopften Nase und André Heller, gebrochen durch lustige Zigaretten und Schlurftempo, relativ früh klar ausformuliert. Zuletzt konnte man den Nino etwa als Schönster Mann von Wien gemeinsam mit Worried Man & Worried Boy erleben. Ernst Molden durchstreifte derweil mit sinistrer Grummelstimme und ruppiger Gitarrenbegleitung die Wiener Vorstadt unter besonderer Berücksichtigung seiner Wahlheimat Erdberg. Auch das Hochhalten alter Traditionen aus dem Misanthropengenre zwischen Ambros, Sigi Maron, Ludwig Hirsch und dem zentralen Austropopper Georg Danzer wurde immer wieder betont.

Resch gespielte Gitarren

Nun veröffentlichen Ernst Molden und Der Nino aus Wien ein länger gehegtes gemeinsames Herzensprojekt. Die zwölf Lieder auf dem Duoalbum Unser Österreich stammen allesamt aus dem Kanon des klassischen Austropop. Sie sollen aber auch zeigen, dass abseits der großen und oft totgespielten Hits wie dem Hofa, dem Kommissar, dem Hausmasta oder dem Gsöcht'n einst ein Grundstock gelegt wurde, der leider daran krankte, dass er sich nie modernisieren konnte und wollte – und vor allem in der musikalischen Umsetzung viel zu bieder, kreuzbrav und kunsthandwerklich daherkam.

Mit klirrenden und ordentlich resch behandelten Gitarren sowie beiderseitigem, sehr einnehmendem g'fäultem Gesang nehmen sich der Nino und Molden etwa Danzer-Liedern wie Jo, da Foi wird imma glora oder Vorstadtcasanova oder des Tschik an. Sie sitzen mit Ambros unter dem Motto Wie wird des weitergehn im Espresso, mit Sigi Maron Aum Spülplotz – oder gar Im grünen Wald von Mayerling. André Hellers Liliputaner kommt ebenso vor wie pflichtschuldig Falcos Ganz Wien.

Das eigentliche Verdienst dabei ist aber, dass die Lieder nicht aus der Zeit fallen, weil man so wie die jungen Kollegen Wanda entdeckt hat, dass diese Musik ihre Relevanz nur behält, wenn man sich wegen ihr nicht zu viel antut. Hingeschissen, mit gutem Gefühl. Eine leiwande Platte. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 3.3.2015)