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Schon seit Jahren protestieren Mitarbeiter und Unterstützer gegen Walmart und für höhere Stundenlöhne. (Bild: Proteste 2013)

Foto: REUTERS/Lucy Nicholson

Bentonville - Wenn der US-Präsident die Entscheidungen eines einzelnen Unternehmens kommentiert, muss es wichtig sein. "Walmart hebt die Gehälter an - nicht nur, weil es richtig ist, das zu tun - sondern auch, weil es gut für das Geschäft ist", sagte Barack Obama zuletzt. Der größte US-amerikanische Arbeitgeber zahlt mehr Gehalt - ein richtungsweisendes Signal für die weltgrößte Volkswirtschaft?

"Seit 1979 sieht die breite Mehrheit der Amerikaner ihre Stundenlöhne stagnieren oder sinken, obwohl die Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum um 149 Prozent gestiegen ist und die Produktivität um 64 zugelegt hat", heißt es in einer neuen Studie der Expertin Elise Gould von der Washingtoner Denkfabrik Economic Policy Institute. Walmart gilt bisher als Negativbeispiel für geringe Bezahlung.

Warum hebt der größte Einzelhändler Amerikas nun die Löhne an? "Damit demonstrieren wir unseren Einsatz für euch, unsere Partner", schreibt Walmart-Chef Doug McMillon in seinem Brief an die Angestellten. Doch Walmart, wegen seiner Arbeitsbedingungen häufig kritisiert, kommt in vielen Filialen nur dem gesetzlichen Mindestlohns zuvor.

Imagepflege

Zudem ist die Imagepflege sehr willkommen. Konzerne wie Walmart strapazieren die Toleranz der Steuerzahler: Sie zahlen Mitarbeitern häufig so wenig, dass diese von der öffentlichen Hand bezuschusst werden müssen, um nicht unter das Existenzminimum zu fallen. Dennoch: Die Entscheidung ist mehr als eine PR-Kampagne und Vorwegnahme bereits beschlossener Erhöhungen staatlicher Mindestlöhne.

Walmart ist mit seinen niedrigen Gehältern in einer Sackgasse angekommen. "Das Geschäftsmodell ist kaputt", kommentiert der bekannte Finanzblogger Barry Ritholtz. Das Management habe sich schlicht verkalkuliert. Walmart müsse jedes Jahr etwa 44 Prozent der Belegschaft austauschen. Das ist jedoch teuer: Bei 2,2 Millionen Mitarbeitern kostet die Personalsuche viel Zeit und Geld. Außerdem drücken die Mini-Löhne die Motivation, darunter leidet das Geschäft.

Walmarts Dilemma kommt in wenigen Zahlen gut zum Ausdruck: Auf dem Karriere-Portal Glassdoor.com hat der Konzern ein schwaches Rating von 2,8 Sternen. Nur 44 Prozent der Nutzer würden einem Freund empfehlen, dort zu arbeiten. Bei Wettbewerber Costco sind es 3,9 und 80 Prozent. McDonald's zum Beispiel schneidet mit einem Rating von 3,0 und 50 Prozent Weiterempfehlungen besser ab.

Zeichen der Zeit

Vor dem Hintergrund der verbesserten Konjunktur - die US-Arbeitslosigkeit liegt mit 5,7 Prozent auf dem tiefsten Stand seit mehr als sechs Jahren - hat Walmart womöglich einfach nur die Zeichen der Zeit erkannt. Im Jänner stiegen die Stundenlöhne in den USA um 0,5 Prozent und damit so stark wie zuletzt im November 2008. Möglicherweise müssen Konzerne wie Walmart einfach Umdenken, um im Wettbewerb um Arbeitskräfte konkurrieren zu können.

Das hoffen Ökonomen. Denn die US-Wirtschaft wird - im Gegensatz zur exportabhängigen deutschen - zu mehr als zwei Dritteln vom privaten Konsum getrieben. Steigende Löhne im unteren Einkommensbereich schaffen viel Kaufkraft und sind deshalb eines der effektivsten Mittel, um die Nachfrage anzukurbeln. Deshalb könnte es einen kräftigen Wachstumsschub geben, wenn andere große Einzelhändler wie Target, oder die im Schnitt noch schlechter zahlende Fastfood-Industrie, dem Beispiel von Walmart folgen würden.

Verständlich also, dass Präsident Obama applaudiert. Doch Euphorie wäre fehl am Platz. Walmart will die Bezahlung der Teilzeitkräfte im Schnitt auf 10 und die der Vollzeitkräfte auf 13 Dollar (11,60 Euro) pro Stunde anheben. Das Startgehalt soll auf 9 Dollar steigen und damit um 1,75 Dollar über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Durch die Masse von Jobs geht das für den Konzern durchaus ins Geld. Trotzdem fällt der Gehaltsanstieg für die meisten Mitarbeiter eher bescheiden aus. (APA, 2.3.2015)