In vielen Ländern fand das neue Islamgesetz in Österreich Beachtung. Selbst in Frankreich, wo die Trennung von Kirche und Staat sehr strikt eingehalten wird, diskutiert man über einzelne Bestimmungen als mögliches Vorbild. Auch in Deutschland wird der Gesetzestext debattiert.

Das neue Islamgesetz enthält Fortschritte im Vergleich zum Gesetz aus dem Jahre 1912 - aus der Zeit der Monarchie. 103 Jahre später benennt das neue Gesetz explizit Rechte der Angehörigen der muslimischen Glaubensgemeinschaft wie islamische Friedhöfe, Seelsorge und die Einhaltung von Speisevorschriften in staatlichen Einrichtungen wie dem Bundesheer und den Krankenhäusern sowie die Möglichkeit zur Einhaltung islamischer Feiertage. Das ist ein wichtiges Signal an die rund 570.000 Muslime, die in Österreich mit seinen mehr als acht Millionen Einwohnern leben.

Integration bedeutet nicht nur Akzeptanz der hier geltenden Traditionen, sondern umgekehrt auch, allen Menschen in diesem Lande die Möglichkeit einzuräumen, ihrem Glauben gemäß in Österreich leben zu können. Deshalb ist es wichtig, dass Außenminister Sebastian Kurz betont: "Der Islam gehört zu Österreich." Diese Aussage ist eigentlich selbstverständlich - genauso wie der Satz: Österreich ist ein Einwanderungsland. Dass beide Sätze von österreichischen Politikern selten ausgesprochen werden, liegt daran, wie mit dem Thema Ausländer in diesem Lande umgegangen wird und wie die FPÖ dies politisch zu instrumentalisieren versucht.

Genauso selbstverständlich ist, dass man von Bürgern eines Staates annimmt, dass sie sich dem Land zugehörig fühlen und die Gesetze achten. Warum aber verlangt man nun per Gesetz nur von Muslimen ein explizites Glaubensbekenntnis zum Staat und zu seiner Rechtsordnung?

Im neuen Gesetz heißt es: "Es muss eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat bestehen." Woran wird eine positive Grundeinstellung festgemacht? Warum wird nur Muslimen eine solche Festlegung abverlangt, nicht aber auch Katholiken oder Angehörigen anderer Glaubensrichtungen? Warum wird Islam mit Islamismus gleichgesetzt? Von Katholiken wird auch keine Abgrenzung von fundamentalistischen Gruppierungen verlangt. Das ist eine Ungleichbehandlung, die von Misstrauen gegenüber muslimischen Bürgern zeugt.

Dass sich aber der Staat gegen Einflussnahme von außen wehrt und die Finanzierung von Einrichtungen aus dem Ausland einschränken will, ist nachvollziehbar. Derzeit zahlt die türkische Religionsbehörde die Gehälter von 60 Imamen in Österreich, von denen viele nur für kurze Zeit hier sind und in ihrer Sprache predigen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass just die Türkei das neue Gesetz scharf kritisiert hat. Diese Kritik sollten die muslimischen Gemeinschaften in Österreich zurückweisen - als Einmischung in österreichische Angelegenheiten. Das ist eine Form von Missionierung, wie sie Katholiken in anderen Weltregionen betreiben, wofür auch in Österreichs Kirchen Spenden gesammelt werden.

Die katholische Kirche ist durch das Konkordat, das einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, deutlich bessergestellt. Dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen würde ein allgemeines Gesetz, das für alle Glaubensgemeinschaften gleiche Regelungen beinhaltet - ohne Privilegien und ohne Misstrauensvorschuss. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 28.2.2015)