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Benjamin Netanjahus Besuche in den USA (im Bild im März 2014 in Los Angeles) sind nicht immer unumstritten.

Foto: AP / Nick Ut

Es begann mit einem Clinch hinter den Kulissen: Harry Truman musste Außenminister George Marshall überstimmen, der fürchtete, eine Anerkennung Israels könnte die arabische Welt verprellen. Dann ging alles sehr schnell. In Tel Aviv proklamierte David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeit, in Washington signierte der US-Präsident nahezu zeitgleich eine Note, mit der er den neuen Staat respektierte - so rasch, dass Truman die maschinengeschriebenen Worte "Jewish State" kurzerhand durch ein handschriftliches "State of Israel" ersetzen ließ.

Seitdem ist das Bündnis mit Israel so etwas wie Staatsdoktrin. Eine Konstante, Konsens über Parteigrenzen hinweg. So heftig Demokraten und Republikaner über andere Themen stritten, in diesem Punkt waren sich alle einig.

Und einmal im Jahr dient die Konferenz der Lobbygruppe Aipac (American Israel Public Affairs Committee) einzig dem Zweck, den Schulterschluss zu feiern. Diesmal ist das anders, diesmal wird das am Sonntag beginnende Treffen überschattet vom Tauziehen um eine Rede.

"Schlechter Deal"

Wenn Benjamin Netanjahu nächste Woche vor beiden Kammern des US-Kongresses spricht, tut er es gegen den erklärten Willen der Regierung Barack Obamas. Eingeladen hat ihn John Boehner, der republikanische Speaker des Repräsentantenhauses. Der israelische Premier wird davor warnen, in den Atomgesprächen mit Teheran Kompromisse zu akzeptieren. In Konservativen wie Boehner, der gegen einen "schlechten Deal" wettert, der "den Weg zu einem nuklearen Iran ebnet", hat er treue Verbündete. Susan Rice wiederum, Obamas Sicherheitsberaterin, wählte ungewohnt scharfe Worte, als sie Netanjahu vorwarf, das Verhältnis durch eine parteiische Allianz mit den Republikanern über Gebühr zu belasten. "Das ist zerstörerisch für das Gewebe dieser Beziehung."

Anfang Februar hatte Obama noch diplomatisch zu verstehen gegeben, dass er es für unangemessen hält, wenn ein ausländischer Premier zwei Wochen vor der Wahl im eigenen Land die Washingtoner Bühne nutzt, um sich in Szene zu setzen.

Man spricht nun Klartext

Mittlerweile geht es um die Substanz, mittlerweile ist nur noch Klartext zu hören. Netanjahu, mahnt die Administration, möge den Amerikanern in der delikaten Schlussphase der Nuklearverhandlungen das Heft des Handelns allein überlassen, statt mit Störmanövern dazwischenzufunken. Im Kern dreht sich alles um die Frage, ob die Ajatollahs Vertrauen verdienen - oder aber Abmachungen nur als Tarnung benutzen, um sich aus den Sanktionen zu befreien und geheim dennoch an Atombomben zu basteln.

Während Netanjahu sie, im Einklang mit etlichen Republikanern, skeptisch beantwortet, setzt Obamas auf rationales Denken in Teheran. Ein Vertrag, der die iranische Urananreicherung zwar nicht verbiete, wohl aber eindämme und kontrolliere, sei besser als jede realistische Alternative, sagt Außenminister John Kerry. "In Netanjahus Maximalzielen sieht das Weiße Haus Realitätsferne, Fantasterei", kommentiert David Ignatius in der Washington Post.

"Chickenshit"

Wie gereizt der Ton inzwischen ist, illustrierte im Herbst 2014 ein Essay im Magazin Atlantic. Netanjahu sei "chickenshit" wird ein anonymer Regierungsvertreter zitiert; er sei kein Yitzhak Rabin, kein Ariel Sharon, kein Menachem Begin - sondern ein Feigling, der einer Aussöhnung mit den Palästinensern ausweiche, weil ihm der politische Mut fehle.

2012 ließ Netanjahu durchblicken, dass er lieber Mitt Romney im Oval Office sähe. Obama hat es ihm übelgenommen. Die Iran-Kontroverse indes vor allem auf Persönliches zu reduzieren, hält Aaron David Miller, ein alter Hase nahöstlicher Verhandlungen, für falsch: Die USA könnten mit ihrer komfortablen geografischen Lage mit einem größeren Maß an Unsicherheit leben - anders als die Israelis, die sich eine solche Fehlertoleranz nicht leisten könnten. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 28.2.2015)