"Bei der Gelegenheit sollte man sich auch die Inseratenvergabe öffentlicher Stellen ansehen": ÖVP-Generalsekretär und -Mediensprecher Gernot Blümel (33).

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Wien - Eine - bisher - kleine Novelle mit Erleichterungen für ORF, Privatradio und Privatfernsehen ging am Freitag in Begutachtung. Nun verhandelt Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) über eine neue Presseförderung. Bei der Gelegenheit sollte man sich auch Gedanken über die Werbung öffentlicher Stellen machen, findet ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel im STANDARD-Interview.

Blümel ist für eine Erhöhung der zuletzt laufend gekürzten Presseförderung. Dafür brauche es kein neues Steuergeld, sagt Blümel und verweist zunächst auf Rundfunkgebühren, die zu zwei Dritteln an den ORF, zu einem Drittel aber an Länder und Bund gehen. Sollte er über diese Gebührenanteile verhandeln wollen: Ende 2016 läuft der aktuelle Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern aus. Das wäre eine Gelegenheit für Gespräche auch über diese Mittel, die sieben von neun Ländern einheben und etwa für Musikschulen (Kärnten) und Altstadterhaltung (Wien) ausgeben.

Doch solche Überlegungen sind Interpretation: Blümel verweist im Interview nur allgemein auf diese Milliarde Euro im Jahr für einerseits Rundfunkgebühren, andererseits Werbung öffentlicher Stellen. Bei der kann sich der VP-Generalsekretär auch neue Vergabe-Modalitäten vorstellen. (fid)

"In Wünschen des ORF noch keine Lösung": Blümel im Interview

STANDARD: Freitag ging eine kleine Rundfunknovelle in Begutachtung - haben Sie noch in letzter Sekunde herausreklamiert, dass der Bundeskanzler per Verordnung in die Reihung von Programmen in Kabelnetzen eingreifen kann?

Blümel: Wir stehen auf dem Standpunkt: Das soll kein Politiker bestimmen, sondern die Medienbehörde nach klar festgelegten Kriterien.

STANDARD: Im Kanzleramt heißt es dazu: Es war nie daran gedacht, dass Kanzler oder Medienminister eine konkrete Reihenfolge verordnen. Braucht man überhaupt Österreich-zuerst-Regelungen?

Blümel: Wir sind in unserem Medienpaket im vergangenen Sommer davon ausgegangen, dass es mehr Programm für Österreich geben soll, mehr österreichische Identität und mehr österreichische Wertschöpfung. Da ging es um zwei Punkte: Programme mit österreichischer Identität sind zu transportieren - eine klassische Must-Carry-Regelung. Und zweitens: Gibt es eine Möglichkeit, österreichische Programme vorzureihen? Das ist rechtlich ein bisschen schwieriger und soll laut Juristen nur mit Verordnung möglich sein. Nun bleibt es im Entwurf bei der erweiterten Must-Carry-Regelung.

STANDARD: Die anstehende Rundfunknovelle klingt über weite Strecken nach Ihren Forderungen vom vorigen Sommer. Seit wann kommt die SPÖ in der Medienpolitik so entgegen - und warum hat es dann doch so lang gedauert bis zum Entwurf?

Blümel: Da sieht man, was möglich ist, wenn es in Verhandlungen um die Sache geht und nicht um Ideologien. Aber: Es hat da und dort technische Schwierigkeiten gegeben, der Teufel steckt im Detail. Ich bin froh, dass wir wesentliche Bereiche geschafft haben - Erleichterungen für Privatradios und Privatfernsehen, aber auch legitime Erleichterungen für den ORF. Ich bin zuversichtlich, dass die Änderungen bald beschlossen werden können.

STANDARD: Wenn man Entwurf und Ihre Vorstellungen vom vergangenen Sommer nebeneinanderlegt, dürften aber doch noch ein paar Punkte offen sein.

Blümel: Das war einerseits die Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF. Das ist uns noch immer ein großes Anliegen, aber wir wollten hier nichts übers Knie brechen. Da braucht es einen gründlichen Diskurs.

STANDARD: Aber das Ziel bleibt aufrecht?

Blümel: Wie der zweite offene Punkt, das Leistungsschutzrecht. Geistiges Eigentum ist auch in der digitalen Welt der Suchmaschinen so schützenswert wie anderes Eigentum. Wir brauchen da fachgerechte Lösungen. Das deutsche Leistungsschutzrecht hakt offenkundig und ist nicht wirklich praktikabel. Wir schauen uns jetzt auch die Erfahrungen mit dem spanischen Leistungsschutzrecht an. Insgesamt ist das Thema sicher am sinnvollsten auf europäischer Ebene zu lösen. Aber: Eine kluge, zunächst nationalstaatliche Regelung erhöht aber auch den Druck auf europäische Regulierung.

STANDARD: Nun wünscht sich der ORF einige Änderungen, die bisher nicht im Paket enthalten sind: Zum Beispiel sollen ORF-Apps auch ohne die gleichen ORF-Angebote auf klassischen Webseiten möglich sein; neue Angebote sollen nicht mehr von der Medienbehörde geprüft werden, wenn sie unter zehn Millionen Euro kosten. Der ORF hätte nun auch gerne mehr Möglichkeiten für massenattraktivenB Sport in ORF Sport Plus.

Blümel: Wir bekennen uns zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der wesentlich zur österreichischen Identität beiträgt. Gleichzeitig finanziert er sich, unabhängig vom Markt, überwiegend durch 600 Millionen Euro an Gebühren. Also sind Einschränkungen gegenüber Privaten legitim, die sich fast ausschließlich über den Markt finanzieren - und Erleichterungen für Private.

STANDARD: Das heißt für die offenen ORF-Wünsche?

Blümel: Wünsche des ORF sehen wir differenziert: Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich technisch weiterentwickeln können. Aber wenn er sich da weiterentwickeln will, um etwa mehr Werbegelder abschöpfen zu können, dann darf er das nur extrem eingeschränkt. Da muss man streng differenzieren. Werbegelder müssen den Privaten zugute kommen, die sich aus dem Markt finanzieren müssen. In den Wünschen des ORF sehen wir noch keine Lösung.

STANDARD: Das heißt: Wenn neue Angebote nicht werberelevant sind, braucht es keine Prüfung der Medienbehörde?

Blümel: Da geht es letztlich wieder um Auswirkungen auf den Markt. Da sollte man es dem ORF gegenüber Privaten nicht zu leicht machen, zusätzliche Angebote zu setzen. Immerhin finanziert er sich aus öffentlichen Geldern unterliegt einem öffentlich-rechtlichen Auftrag.

STANDARD: Diese Woche hat Medienminister Josef Ostermayer erste Gespräche über die Vorstellungen der Zeitungsverleger für eine neue Presseförderung geführt. Sind Sie eingebunden? Und was halten Sie von den Vorschlägen?

Blümel: Der Zeitungsverband VÖZ hat uns das Konzept ebenfalls präsentiert. Ich sehe darin gute Aspekte - etwa dass künftig auch die Digitalisierung gefördert werden soll. Der Medienminister führt jetzt Gespräche mit dem Verband. Da es für Neuerungen einer Gesetzesänderung bedarf, nehme ich an, dass er in Gespräche mit uns eintreten wird.

STANDARD: Kommunikationsberater Wolfgang Rosam, gerade in der ÖVP kein ganz Unbekannter, hat diese Woche im STANDARD vorgeschlagen: Ein Gremium von Mediaplanern sollte laufend kontrollieren, ob öffentliche Stellen wie Ministerien ihre Werbung nach professionellen Kriterien buchen. Was halten Sie davon?

Blümel: Man muss sich über die Inserate öffentlicher Stellen Gedanken machen, wenn man eine Reform der Presseförderung diskutiert. Denn letztlich geht es dort um mehr Geld: Der VÖZ fordert 35 Millionen Euro im Jahr, die existierende Presseförderung wurde gerade von 10,8 auf 8,6 Millionen Euro gekürzt. Da fragt man sich: Woher kommt das Geld in Zeiten knapper Budgets?

STANDARD: Und Sie antworten darauf?

Blümel: In Zeiten knapper Budgets können diese Mittel nicht aus zusätzlichen Steuergeldern kommen. Das brauchen sie meiner Meinung auch nicht. In Österreich werden im Jahr - Daumen mal Pi - öffentliche Gelder von einer Milliarde Euro pro Jahr im Zusammenhang mit Medien bewegt.

STANDARD: Gut 850 Millionen Euro werden zum Beispiel als Rundfunkgebühren eingehoben.

Blümel: Das ist einerseits die Rundfunkgebühr - die etwa zu zwei Dritteln an den ORF geht und zu einem Drittel an Länder und Bund. Zu diesem Bereich zählen aber auch die Inserate an öffentlichen Stellen - von Ministerien, aber auch von Bundesländern...

STANDARD: ... in deutlich dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr.

Blümel: Wenn man über eine Erhöhung der Presseförderung nachdenkt - und ich bin sehr dafür, denn Qualitätsjournalismus gehört gefördert, - dann sollte man innerhalb dieses Medienkuchens umgruppieren. Und bei der Gelegenheit sollte man sich auch die Inseratenvergabe öffentlicher Stellen ansehen. Wien zum Beispiel inseriert im Vergleich zu allen Bundesländern mehr als exzessiv. Da könnte man schon darauf schauen, dass das objektiver verteilt wird. (Harald Fidler, DER STANDARD, 28./29.2.2015)