Das Traumhaus ersteigern? Unter dem Schätzwert wird man wohl nur auf dem Land aussteigen.

Foto: http://www.istockphoto.com/oersin

Mittwochvormittag im Bezirksgericht Hietzing: 30 Menschen warten vor dem Zimmer 213. Jeder Neuankömmling wird gemustert. Bei einer Zwangsversteigerung ist jeder Anwesende ein Konkurrent. Heute kommt eine 30 Quadratmeter große Wohnung an der Speisinger Straße im 13. Bezirk unter den Hammer. Der Schätzwert: 103.000 Euro. Bei 51.700 Euro liegt das geringste Gebot.

Für die Wohnung interessiert sich ein buntes Publikum: Ein älteres Ehepaar mit Migrationshintergrund hat sich ebenso eingefunden wie ein junger Mann in Anzug und mit Aktentasche. Eine Ungarin ist hier, weil sie für einen Freund übersetzen wird. Warum er eine Wohnung in Wien sucht? "Um aus Ungarn zu flüchten", lässt er durch die Frau ausrichten. Beide lachen. Zu seinen Preisvorstellungen will er sich nicht äußern: "Hier hört jeder mit", wispert die Frau. Auch von Spitzeln des Gerichts glaubt sie zu wissen, die sich unter die Wartenden mischen und auf illegale Preisabsprachen lauern.

Zahlen rückläufig

Monika Konvicka könnte man tatsächlich fast als einen Spitzel bezeichnen. Sie ist die Geschäftsführerin von SmartFacts Data Services, einem auf Immobilienmarktforschung spezialisierten Unternehmen mit Fokus auf Zwangsversteigerungen. Immer wieder schaut sie sich inkognito bei Veranstaltungen um. Preisabsprachen kommen ihr dabei keine unter, berichtet sie: "Vor vielen Jahren" habe es das vielleicht gegeben, mittlerweile "lässt der Markt das aber nicht mehr zu".

Mit einem weiteren Mythos räumt die Expertin auf: Auf einen günstigen Kauf darf man - zumindest bei Wohnimmobilien in Ballungszentren - nicht mehr hoffen. Aufgrund der großen Nachfrage an Wohnraum würden Objekte auch über dem Schätzwert den Besitzer wechseln. Nur bei Häusern oder Grundstücken auf dem Land mit schlechter Infrastruktur könne man mitunter ein Schnäppchen machen.

Seit 2010 sind die Zahlen für Versteigerungen rückläufig. Einer der Gründe: Manchmal kommt es gar nicht zur Versteigerung, weil ein Objekt stattdessen vorab am freien Markt verkauft wird, so Konvicka. 2220 Versteigerungstermine gab es im Vorjahr, 60 Prozent davon betrafen Wohnimmobilien. Niederösterreich war das Bundesland mit den meisten Versteigerungen. Ob sich der Rückgang von Zwangsversteigerungen auch in den nächsten Jahren fortsetzt, bezweifelt Konvicka allerdings angesichts der wirtschaftlichen Lage in Österreich.

Viele Zuschauer

Aber zurück ins Bezirksgericht: Während jene, die nur zuschauen, versuchen, einen Sitzplatz zu ergattern, formen die Bieter eine Schlange bis hinaus in den Gang. Sie müssen einen Ausweis vorlegen und das "Vadium", einen Geldbetrag in Höhe eines Zehntels des Schätzwerts, auf einem Sparbuch dabeihaben. Wen der Richter auf einer Liste einträgt, der erhält eine Nummer. Sitzplätze gibt es keine mehr. Es wird eng, die Stimmung ist angespannt: Eine Frau in der ersten Reihe fühlt sich von einer anderen Bieterin verdeckt. Der Richter beschwichtigt.

Überraschend viele Menschen schauen nur zu - ein Paar in der letzten Reihe etwa. In Niederösterreich waren sie einmal die einzigen Bieter bei der Versteigerung eines Grundstücks, erzählt der Mann und fügt hinzu: "Das hat aber auch einen Grund gehabt."

Die nächste Versteigerung

Als alle Bieter registriert sind, verliest der Richter Details zur Wohnung, dann geht alles sehr schnell: "Nummer 2 - Mindestgebot", ruft der Erste. "Nummer 14 - 80.000", ruft der Nächste. Nach und nach steigen die Gebote - und mehr und mehr Bieter aus. Immer wieder kommt es zu stillen Momenten, die nur vom Vibrieren eines Handys oder von Getuschel unterbrochen werden. "Gibt es noch ein höheres Gebot?", fragt der Richter mehrmals. Eine junge Frau aus der ersten Reihe ersteigert die Wohnung schließlich für 110.000 Euro. Nach 20 Minuten ist alles vorbei. Der Richter erklärt die Versteigerung für geschlossen.

Draußen vor der Tür warten die beiden Ungarn. Der Mann schüttelt verächtlich den Kopf - viel zu schnell seien die Gebote viel zu weit nach oben geklettert. Um den Preis bekomme er auch am freien Markt eine Wohnung. Die beiden bleiben gleich hier: In einer halben Stunde wird die nächste Wohnung versteigert. Vielleicht haben sie dann mehr Glück. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 28.2.2015)