Wir erleben soeben die Geburtsstunde der "Neuen Wiener Schule der Gastronomischen Psychiatrie und Psychotherapie". Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat, zugegebenermaßen im Wahlkampfmodus, gesagt: "Ein guter Wirt ersetzt drei Psychiater!"

Anlass war das Vorhaben der Regierung, mit ausdrücklicher Billigung von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), (endlich) ein komplettes Rauchverbot in den Lokalen einzuführen. Dies löste ein Wirtegejammer, Leitls Spruch und daraufhin Proteste der Ärzte und Therapeuten aus. Humorlos wiesen sie auf die 300.000 Alkoholkranken und 750.000 Gefährdeten hin.

Doch halt, hat Leitl vielleicht doch irgendwie recht? Kann man nicht in fast jedem Wirtshaus, an fast jedem Stammtisch das klinische Bild der vor allem bei Männern vorkommenden "aggressiven Depression" studieren? Reizbarkeit und Verstimmung, niedrige Impulskontrolle (schnelles Aufbrausen), Wutanfälle, unbändiger Ärger, Neigung zu Vorwürfen und nachtragendem Verhalten, Antriebslosigkeit, geringe Stresstoleranz, höherer Gebrauch von Alkohol und Nikotin - "lauter Verbrecher ... die da oben ... die machen, was sie wollen ... auf uns hört eh kaner ..."

Wenn Leitl dabei an die therapeutische Wirkung von passivem Herummatschkern, äußerln führen von Ressentiments und monumentalem Selbstmitleid gedacht haben sollte: Die ist doch noch umstritten. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 27.2.2015)