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Wenn schon nicht die Konjunktur, so blüht in Athen im Zuge der jahrelangen Krise die Graffitikultur gegen die von den Europartnern auferlegte Spar- und Reformpolitik.

Foto: ap/Thanassis Stavrakis

Lange hat die Ruhe nach dem Sturm in Sachen Hilfsgelder für Griechenland nicht gedauert: keine 24 Stunden.

"Erleichterung" hatte der Währungskommissar Pierre Moscovici noch verspürt, nachdem die Finanzminister der Eurogruppe sich mit der Regierung in Athen am Dienstag geeinigt hatten: Ihr Kollege Yiannis Varoufakis akzeptierte, dass vereinbarte Verträge, Maßnahmen und Finanzrahmen gelten. Im Gegenzug kann er soziale Reformen angehen, wenn er sie durch Eintreiben von Steuerschulden finanziert.

Neue Unsicherheit

Damit sei eine gute Basis gelegt für die nächsten Monate des gemeinsamen ruhigen Handelns, so der Tenor danach. Tags darauf schien das wieder höchst unsicher. Zunächst erklärte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble seiner CDU/CSU-Fraktion im Bundestag beim Werben um Zustimmung zur Verlängerung des Hilfspakets um vier Monate, dass er auch die Notwendigkeit zusätzlicher Hilfen nicht ausschließe. Man solle im Falle Griechenland "niemals nie sagen", zitierte ihn die "Rheinische Post".

In Athen nahm Energieminister Panagiotis Lafazanis zum vereinbarten Privatisierungsprogramm Stellung: Beim Stromversorger PPC, für den sich chinesische und italienische Investoren interessieren, wie beim Netzbetreiber Admie sei der Verkauf abgesagt.

Finanzminister erwartet Schwierigkeiten

Schließlich zündete Finanzminister Varoufakis am Mittwoch eine neue Leuchtrakete: Er sei optimistisch, dass es keine Liquiditätsschwierigkeiten bei der Rückzahlung kurzfristiger Anleihen im Frühjahr geben werde. Aber bei den Rückzahlungen von Krediten an den Währungsfonds (IWF) und die Zentralbank (EZB) im Juli und August werde es "sicher Schwierigkeiten geben".

Es geht um 1,6 bzw. 7,5 Milliarden Euro. Experten in Eurogruppe und Kommission, die sich seit fünf Jahren mit der Abwicklung der Eurohilfsprogramme befassen, sind von solchen Ansagen nicht überrascht: "Die Zahlen, die wir von den griechischen Regierungen bekommen haben, haben fast nie wirklich gestimmt", sagt einer unter der Zusage von Vertraulichkeit. Solange es keine neuen belastbaren Zahlen gebe, werde auch diesmal nicht ausbezahlt werden, wie schon ein Dutzend Mal zuvor seit 2010.

Athen hinkt hinterher

Ein anderer bestätigt, dass Athen seit den ersten Krediten hinter dem Verabredeten hinterhergehinkt sei, auch weil die Vorgaben zu hoch waren. Am schlimmsten sei das bei den Privatisierungen maroder Staatsbetriebe. Von angepeilten Erlösen von 50 Milliarden Euro sei nicht einmal ein Bruchteil umgesetzt. Und: Solange das Steuereintreibungssystem nicht funktioniere wie versprochen, würden die Finanzprojektionen kaum zu halten sein.

Kein Wunder, dass die Ökonomen der Geldgeber hinter vorgehaltener Hand bereits ganz offen davon reden, dass die Europartner noch vor dem Sommer ein drittes Hilfspaket schnüren werden müssen – zusätzlich zu 240 Milliarden Euro, die bisher gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geschultert wurden. Ein Grexit, das Ausscheiden aus der Währungsunion, ist politisch derzeit ein Tabu.

Milliarde aus Österreich

Als Größenordnung gilt: mindestens 20 Milliarden Euro, wahrscheinlich aber deutlich mehr. Und: Das alles wäre von den Ländern der Eurozone allein zu leisten, ohne IWF, der das Programm beendet und seinen Part als erledigt betrachtet. Eine genaue Zahl ist deshalb nicht möglich, weil alles davon abhängt, ob und wie das laufende zweite Programm Ende April abgeschlossen wird, über das man seit drei Wochen mit der neuen, Syriza-geführten Regierung gestritten hat.

Im Haushalt der griechischen Regierung dürften mehrere Milliarden durch Steuerausfälle allein seit Dezember fehlen. Sollten die Banken in Schieflage geraten, könnten deutlich größere Beträge nötig werden, die teils aber durch Fonds bedeckt sind. Die größte Summe würde aber ein weiterer "weicher" Schuldenschnitt ausmachen, Zinsnachlässe und die Streckung laufender Kredite, wie man das bereits im Jahr 2012 gemacht hat.

Unangenehm für Österreich

Sollte das tatsächlich im April entschieden werden müssen, wäre es vor allem für die österreichische Regierung unangenehm. Jedes Euroland zahlt gemäß seiner Größe und Kraft in den Hilfstopf ein. In absoluten Zahlen ist das Deutschland vor allen anderen.

Österreichs Beitrag am zweiten Hilfspaket betrug 2,98 Prozent der Gesamtsumme. Der Finanzminister muss also mit mindestens 600 Millionen Euro rechnen, die er zur Verfügung stellen müsste, viel eher aber mit einem Milliardenbetrag. Das ist in jedem Fall heikel, mitten in die Steuerreformdebatte hinein und vor einer Serie von Landtagswahlen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 26.2.2015)