Wien - Zeit zum Durchatmen bleibt der neuen griechische Regierung nicht. Nach der Marathonsitzung vom vergangenen Freitag muss sich der neue Finanzminister des Landes, Yiannis Varoufakis, nun auf einen Sprint vorbereiten. Griechenland droht nämlich kurzfristig das Geld auszugehen. Zwar hat die Verlängerung des Hilfsprogramms für Erleichterung auf den Märkten gesorgt, das restliche Geld fließt aber wohl erst im Mai oder später. Bedingung ist ja, dass das laufende Programm erfolgreich abgeschlossen wird. Bis dahin könnte es aber schon zu spät sein.

Alleine in den nächsten zwei Monaten muss Griechenland nämlich 10,5 Milliarden Euro auftreiben. Das meiste davon, 8,1 Milliarden Euro, sind Anleihen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. In unsicheren Zeiten finden kurzfristige Anleihen eher Abnehmer als langfristige, weil man dabei kein so großes Risiko eingeht. Das hat Athen bisher genutzt. "Die Finanzierungssituation ist derzeit sehr schwierig", sagt der Analyst Jens Bastian zum STANDARD. In den vergangenen Monaten hätten nur noch griechische Banken und Fonds diese Anleihen gekauft. "Sich an den internationalen Märkten Geld zu holen ist für Griechenland aussichtslos."

Sehr skeptisch ist auch der Direktor der Denkfabrik Bruegel, Guntram Wolff. "In den nächsten Monaten wird es für Griechenland überhaupt nicht möglich sein, kurzfristige Anleihen zu begeben", sagt er. "Zumindest nicht zu vernünftigen Konditionen." Die Märkte würden in dieser ungewissen Phase hochnervös sein, sagt Wolff. Griechenland würde sich also, wenn überhaupt, nur zu sehr hohen Zinsen Geld borgen können. In der griechischen Regierung ist man sich dessen bewusst. Zwar sagte Finanzminister Varoufakis am Mittwoch, Griechenland habe kein unmittelbares Liquiditätsproblem. Im Frühling und im Sommer, wenn Gelder von Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank fällig würden, könnte es aber Probleme geben, sagte er zu Alpha Radio.

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Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble spielt in der Griechen-Debatte den bösen Polizisten. Kein Euro solle fließen, bevor Athen alle Reformen erfülle, sagte er.
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Analysten der Bank of America Merrill Lynch erwarten, dass Griechenland es über den März schaffen könnte. Erst bei den IWF-Zahlungen im Mai könnte es demnach Probleme geben. Die Analysten nehmen dabei an, dass die griechische Regierung kurzfristige Anleihen mit der Vergabe neuer Anleihen zurückbezahlen kann. Sollten sich die US-Banker irren, könnte Griechenland trotz Einigung mit EU, IWF und EZB bald die Staatspleite drohen. Laut Reuters will die Athener Regierung so bald wie möglich mit den Institutionen eine Diskussion über die Finanzierungslücke starten.

Von der Eurogruppe ist jedenfalls kein Entgegenkommen zu erwarten. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Mittwoch im SWR, Griechenland müsse das laufende Hilfsprogramm einhalten, das nun verlängert werden soll. "Erst wenn sie es voll erfüllt haben, wird bezahlt", sagte er. "Es wird kein Euro vorher bezahlt." Welche Reformen nun genau erfüllt werden sollen und welche nicht, könnte noch zu Streit mit der griechischen Regierung führen. Dort sieht man das Memorandum, in dem die in den vergangenen Jahren vereinbarten Reformen fixiert sind, als gestorben an.

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Die Währungshüter der Europäischen Zentralbank in Frankfurt spielen in der Griechenland-Krise eine tragende Rolle.
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Helfen könnte jedenfalls die Troika, indem sie die Obergrenze für die Vergabe neuer kurzfristiger Anleihen abschafft. Im Moment liegt die bei 15 Milliarden Euro. Das würde Griechenland aber nur dann weiterhelfen, wenn man überhaupt Käufer für neue Anleihen finden würde. Auch die EZB könnte etwas Druck von Griechenland nehmen. Sie hat griechischen Banken ein Limit von 3,5 Milliarden Euro gesetzt, was die Verwendung solcher kurzfristiger Anleihen als Sicherheiten für EZB-Geld betrifft. Mit einem höheren Limit oder gar ohne würde es für griechische Banken attraktiver, solche Papiere zu kaufen. Die Grenze werde aber definitiv nicht angehoben, sagt ein EZB-Insider zum STANDARD. Offiziell äußern will sich die Zentralbank nicht.

Der nächste Finanzierungsbrocken erwartet Griechenland dann im Juli und im August, wo in Summe alleine 6,7 Milliarden Euro an die EZB ausbezahlt werden müssen. Die Notenbank hat am Höhepunkt der Krise ja Papiere von Krisenländern gekauft, um Druck von ihnen zu nehmen. Es ist kein Zufall, dass das alte Hilfsprogramm Athens nur bis Ende Juni verlängert wurde. Bis dahin muss sich Griechenland nämlich etwas einfallen lassen, um an mehr Geld zu kommen. Die zusätzlichen Einnahmen, die die neue Regierung plant, werden wohl nicht innerhalb weniger Monate in die Kassa sprudeln.

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Die Stimmung zwischen Brüssel und Athen ist weiter getrübt. Griechenland könnte aber schon bald wieder auf Hilfe angewiesen sein.
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Deshalb ist unter der Hand auch von einem dritten Hilfsprogramm die Rede. Führende deutsche Koalitionspolitiker gehen davon aus, dass Griechenland ab Juli neue Hilfen brauche, berichtet etwa die Rheinische Post. Mindestens 20 Milliarden Euro seien im Gespräch. Bei der Denkfabrik Bruegel rechnet man damit, dass mindestens 40 Milliarden Euro an Hilfen fließen müssen. "Der Finanzierungsbedarf ist erheblich", sagt Bruegel-Ökonom Wolff. "Das Geld braucht Griechenland alleine dafür, die alten Hilfen zurückzubezahlen."

Anders sieht man das anscheinend in Athen. "Griechenland wird kein neues Hilfspaket brauchen", sagte der Syriza-Wirtschaftsberater Theodoros Paraskevopoulos am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal". Das könne er garantieren, solange es zu keiner neuen Wirtschaftskrise komme. Der Syriza-Finanzminister Varoufakis sorgte am Mittwoch noch mit einer anderen Aussage für Aufregung. Sein Land könne nur an die Kapitalmärkte zurückkehren, wenn der Schuldenrucksack kleiner werde. "Ich spreche über Umschuldungen, die unsere Schuldenlast deutlich senken", sagte Varoufakis im Rundfunk.

Der deutsche Finanzminister reagierte wenig später verärgert. Die Frage eines Schuldenschnitts aufzubringen sei deplatziert und nicht nachvollziehbar, sagte Schäuble. (Andreas Sator, derStandard.at, 25.2.2015)