Wien - Steigende Arbeitslosenzahlen, sinkendes Budget: Das ist die Gemengelage, in der sich die Arbeitsmarktpolitik befindet. Rund 1,14 Milliarden Euro stehen dem Arbeitsmarktservice (AMS) heuer für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Verfügung. 2014 waren es 1,12 Milliarden - nur dass aktuell um fast 50.000 Menschen mehr als erwerbslos gemeldet sind (plus zehn Prozent). Um die Budgetvorgaben einzuhalten, krempelt das AMS die Förderlandschaft um und setzt statt auf teure, nicht immer sinnstiftende Kurse auf rasche Job-Wiedereingliederung durch Lohnsubventionen und den "zweiten Arbeitsmarkt".
2014 gab man gut 62 Prozent für sogenannte Qualifizierungsmaßnahmen aus. Heuer sinkt dieser Anteil kräftig. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Der Rückgang der Schulungsteilnehmer sank zu Jahresbeginn um fast 17 Prozent, in Wien sogar um fast ein Drittel. "Wir stehen vor allem bei den Angeboten vom freien Bildungsmarkt auf der Bremse", sagt der Sprecher des AMS Wien, Sebastian Paulick. Das Budget für Kurse, die Klienten selbst aussuchen, wurde auf 20 Millionen Euro halbiert. Auch will man Anbietern genauer auf die Finger schauen. Vorortkontrollen wurden verdoppelt. Liegt etwas im Argen, fordert das AMS auch Geld zurück. 300.000 Euro waren es 2014, doppelt so viel wie vor drei Jahren. Ulrich Schuh von Eco-Austria hält die Strategieänderung für vernünftig: Anstatt mit kurzen Kursen die Statistiken zu schönen, sei nun die Qualität erhöht worden. Springe der Arbeitsmarkt wieder an, sei man so besser gerüstet, sagt Schuh.
Anbieter unter Druck
Ungemütlich ist es daher auch in der Schulungsbranche geworden. Lange konnten Anbieter verlässlich auf die ausgiebig sprudelnden AMS-Millionen bauen und verzeichneten kräftige, zum Teil zweistellige Umsatzzuwächse. Profitiert haben die sozialpartnerschaftlich organisierten, gemeinnützigen Institutionen wie BFI oder Wifi ebenso wie private Anbieter, zu deren größeren Ibisacam, Mentor oder BIT zählen. Gestiegen ist aber auch der Konkurrenzkampf: Seit 2008 schreibt das AMS den Großteil seiner Kurse gemäß Vergabegesetz aus.
Österreichweit liefern rund 150 Schulungspartner zu. Rund 40 Prozent der AMS-Gelder landeten bei BFI und Wifi sowie beim Arbeiterkammer-nahen beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ), dem SPÖ-nahen gemeinnützigen Verein Jugend am Werk und bei Ibisacam. Kleinen gemeinnützigen Anbietern habe der Wettbewerb das Leben schwergemacht, sagt Manuela Vollmann vom Bundesdachverband der gemeinnützigen Unternehmen. Vollmann ist auch Geschäftsführerin vom abz*austria, einem Non-Profit-Unternehmen, das sich für die Gleichstellung am Arbeitsmarkt einsetzt. Die Großen hätten viele Kurse zu Preisen angeboten, mit denen kleinere Gemeinnützige ohnedies nicht mithalten konnten. Dass da in erster Linie mit Qualität gepunktet wurde, bezweifelt sie.
Kein großer Wettstreit
Ökonom Schuh will gar nicht von einem großen Wettstreit sprechen. "Die Wahlfreiheit für die Kursteilnehmer fehlt, daher fehlt auch ein wichtiges Element für Wettbewerb". Schuh mutmaßt, dass es in den gewachsenen Strukturen zu leichten Marktanteilsverschiebungen kommen wird. Dass diese sich anbahnen, zeichnet sich ab. So werden die Wifi-Standorte heuer bis zu einem Drittel weniger Umsatz mit dem AMS machen. "Die Volatilität ist um eine Zehnerpotenz gestiegen", schätzt Wifi-Referatsleiter für Bildungsmanagement, Albert Gebauer. 300 bis 500 der Trainer könnten grob geschätzt weniger Aufträge erhalten. Das Wifi ist dabei noch in der glücklichen Lage, bei weitem nicht vom AMS abhängig zu sein. Zwischen zehn und 40 Prozent - je nach Bundesland - mache dieser Bereich aus. Beim BFI werden laut dem Wiener BFI-Chef Franz-Josef Lackinger bis zu einem Fünftel des Umsatzes wegfallen, 50 Mitarbeiter müssen gehen, abgesehen von der Ausnützung diverser Maßnahmen wie Bildungskarenzen, Sabbaticals oder Altersteilzeit.
Österreichweit, schätzt Lackinger, werden in der Branche 1000 Trainer von insgesamt 7000 ihren Job verlieren: "Keines der heimischen Erwachsenenbildungsinstitute wird von den Einschnitten des AMS ungeschoren bleiben", Weidinger & Partner hat laut ihrem Chef Reinhard Weidinger 40 Stellen abgebaut. Er erwartet, dass das Wachstum künftig bescheiden ausfällt. Ewald Eckl, Chef der Grazer BIT-Schulungscenter, glaubt, dass sich der Wind auch wieder drehen kann, denn "nicht alles ist schlecht an der aktiven Arbeitsmarktpolitik". Entsprechend schwierig sei es, flexibel aufgestellt zu sein und die jeweiligen Ressourcen, sei es personal- oder ausstattungsmäßig, bereit zu halten.
Dass der Druck auch dort steigt, wo gelehrt wird, liegt auf der Hand. Auch wenn es niemand offiziell bestätigt: Intern wird an allen Ecken und Enden gespart. Viele Trainerinnen sind frustriert. Jobunsicherheit, mangelnde Bereitstellung von Lehrmaterialien, unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeiten, schwarze Listen für häufig Kranke seien nicht einmal das Schlimmste, sagt eine Trainerin, die entnervt den Job hingeschmissen hat. "Wir geben wirklich das Letzte. Die Bezahlung ist mit 1600 netto aber niedriger als die einer Hofer-Verkäuferin." (rebu, DER STANDARD, 25.2.2015)