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Kinder sind oft nicht einfach dazu zu bewegen, ausreichend oft, lange und gründlich ihre Zähne zu putzen. Der potenzielle Konfliktherd zwischen trotzigem Nachwuchs und beharrenden Eltern ...

Foto: Picturedesk / ÖNB-Bildarchiv / Ludwig Gutmann

... soll künftig mit technischem Einsatz entspannt werden. Die Gründer von Playbrush wollen Zähneputzen zum Spiel machen.

Foto: Playbrush

London/Wien - Zähneputzen könnte man doch auch als Spiel sehen. Sein Taufkind brachte Paul Varga auf diesen Gedanken. Die Dreijährige Yves-Louis darf während des Putzens Videos am Tablet anschauen, um sich die unerfreuliche Tätigkeit zu versüßen. Doch je mehr sie vom Bildschirm gefesselt wird, desto ruhiger wird ihre putzende Hand. Oft endet es mit gebanntem Blick, aber bewegungsloser Bürste. Wie wäre es also, wenn man Tablet und Zahnbürste koppeln würde? Was, wenn sich am Bildschirm nur dann etwas tut, wenn man richtig putzt?

"Ich habe dann mit vielen Zahnärzten und Eltern gesprochen. Die Recherche ergab, dass die Motivation beim Zähneputzen durchaus ein Problem ist, das viele haben", so Varga. Mit seinem Projekt Playbrush will der junge Erfinder abhelfen. Die Zahnbürste soll zum Controller oder zum Eingabegerät motivierender Computerspiele auf Tablets und Handys werden.

Sieg bei einem Start-up-Wettbewerb des UCL

Bereits während des Studiums der Biotechnologie habe er bemerkt, dass ihm die umtriebige Start-up-Szene, die es auch im Bereich von Mobile und E-Health gibt, besser gefällt als die Grundlagenforschung im Labor. Er absolvierte ein Technology-Entrepreneurship-Studium am University College London (UCL) und beschäftigte sich nebenher mit dem Programmieren von Apps. In London fand er im vergangenen Jahr auch die Mitstreiter für seine Idee, die künftig Drei- bis Zwölfjährige zum Zähneputzen motivieren soll. Ein Sieg bei einem Start-up-Wettbewerb des UCL versorgte die insgesamt drei Gründer - neben Varga sind das der Wiener Matthäus Ittner und der aus Nigeria stammende Tolulope Ogunsina - mit einem günstigen Darlehen und Büroräumlichkeiten in London.

Relativ einfache Hardware

Das Prinzip der Erfindung: Ein mit Lage- und Beschleunigungssensoren ausgestattetes Gerät wird auf den hinteren Teil der Zahnbürste gesteckt. Per Bluetooth werden die entsprechenden Signale von der Bürste an das Tablet oder Handy geschickt und dienen dort als Eingabe für eine Spiele-App. "Die Hardware ist relativ simpel. Einen ersten Prototyp samt entsprechenden Algorithmen hatten wir innerhalb kürzester Zeit zusammengehackt", erklärt Varga. Dann ging er daran, das System Schritt für Schritt zu optimieren und zu verkleinern.

Ein erstes Spiel zeigt einen geflügelten Löwen, der - angetrieben von der Bewegung der Zahnbürste - über einer bunten Wüstenszene schwebt. "Eine Idee ist, dass wir als Nächstes ein Gebiss am Bildschirm darstellen, von dem man kleine Bakterienmonster wegputzt", erklärt Varga. "Eine andere, dass wir Musik einbauen. Wenn man auf einer Seite zu wenig putzt, würde sie sich dann verzerren und nicht mehr richtig klingen. Da ist sehr viel Spielraum für Fantasie."

Positiv motivierende Elemente

Die Anwendung von Spielprinzipien auf nichtspielerische Bereiche fasst der Begriff Gamification zusammen. Um das Prinzip bestmöglich umzusetzen, lassen sich die Gründer von Pädagogen und Zahnmedizinern beraten. Ein Spieldesign aus positiv motivierenden Elementen, einem klaren Set von Regeln und kontinuierlichem Feedback sei wichtig, so Varga. Die Kinder sollen gelobt werden, aber auch Tipps erhalten: "Du hast vorn sehr gut geputzt. Aber hinten links könntest du nächstes Mal besser schrubben."

Wenn Kinder gemeinsam putzen, könnte man auch jeweils eigene Spielfiguren ins Spiel bringen und so den Ehrgeiz anstacheln. "Die Tochter hat vielleicht ein Pferd als Avatar. Weil sie immer gut putzt, lacht und tanzt es. Der Löwe des Buben dagegen, der nicht so brav putzt, fühlt sich dagegen nicht gut und liegt mürrisch in der Ecke", erklärt Varga ein mögliches Szenario. Er glaubt daran, dass solche spielerischen pädagogischen Mittel eine große Zukunft haben. Die Art, "wie Kinder Medien konsumieren, ändert sich dramatisch. Smartphones und Spiele sind mittlerweile eine gute Kombination, um ihnen bestimmte Fähigkeiten beizubringen."

Das zahnmedizinische Ziel

Das konkrete Ziel aus zahnmedizinischer Sicht sei, dass die Kinder zweimal am Tag zumindest zwei Minuten im ganzen Mundraum putzen und das Fluorid überall verteilen. Das sei für die Zahnärzte schon sensationell, erklärt Varga. Spezielle Putztechniken wie die Bassmethode seien erst später, ab dem Jugendalter relevant. Nach Gesprächen mit 17 Zahnärzten ist für Varga jedenfalls klar, dass es fürs Zähneputzen im Kindesalter keine einheitlichen detaillierten Empfehlungen gibt.

Mittlerweile haben an die 70 Kinder Playbrush getestet. Das Feedback sei so ermutigend, dass man noch heuer mit der Produktion beginnen will. Ab April soll mit einer Kickstarterkampagne Geld eingesammelt werden. Ab November sollen die ersten Playbrush-Geräte verschickt werden. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 25.2.2015)