Wien - Der ehemalige kasachische Botschafter in Wien, Rakhat Alijew, ist nicht der erste prominente Gefängnisinsasse, der sich hinter Gittern das Leben genommen hat. Vor ihm begingen etwa Briefbombenattentäter Franz Fuchs, Prostituiertenmörder Jack Unterweger und der mutmaßliche Mafiapate Jeremiasz Baranski Suizid.

Am 29. Juni 1994 nahm sich "Häfnliterat" Jack Unterweger wenige Stunden nach seiner Verurteilung wegen neunfachen Prostituiertenmordes das Leben. Um 3.00 Uhr war er noch in seinem Bett in seiner Zelle in der Justizanstalt Graz-Jakomini gelegen. Bei der nächsten Nachschau gab es Alarm: Unterweger hatte sich an der Vorhangstange der Toilette mithilfe des Bundes seiner Jogginghose erhängt. Das Urteil wurde wegen des Todes Unterwegers nie rechtskräftig.

Unterweger hatte bereits 1976 wegen Mordes lebenslänglich erhalten, nachdem er eine junge Frau erwürgt hatte. Im Mai 1990, acht Jahre nachdem sein autobiografischer Roman "Fegefeuer oder die Reise ins Zuchthaus - Report eines Schuldigen" erschien, wurde er auf Bewährung aus der Strafanstalt Stein entlassen - als Beispiel einer geglückten Resozialisierung.

1992 erließ das Landesgericht Graz neuerlich einen Haftbefehl. Nach einer abenteuerlichen Flucht wurde Jack Unterweger Ende Februar in Miami gefasst und Ende Mai 1992 nach Österreich überstellt.

Fuchs erhängt sich mit Kabel

Am 26. Februar 2000 beging der Bombenbauer Franz Fuchs in seiner Zelle in der Grazer Haftanstalt Karlau Selbstmord. Der 50-jährige Südsteirer erhängte sich mit dem Kabel eines Rasierapparats. Seine Handprothesen verwendete er dabei nicht. Bei seiner Verhaftung im Oktober 1997 hatte er sich beide Hände weggesprengt. Am 10. März 1999 war Fuchs wegen mehrerer Briefbomben- und Rohrbombenattentate zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Fuchs verübte die Anschläge zwischen Dezember 1993 und Oktober 1997, dabei gab er sich als "Bajuwarische Befreiungsarmee" (BBA) aus. Unter anderem ging das Attentat von Oberwart auf sein Konto, bei dem am 4. Februar 1995 vier Männer ums Leben gekommen waren. Zu seinen Opfern und Adressaten zählten zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens, darunter der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, Ex-Frauenministerin Johanna Dohnal, TV-Moderatorin Arabella Kiesbauer und der damalige Caritas-Präsident Helmut Schüller.

Auch Baranski erhängt sich

Am 7. Mai 2003 nahm sich der mutmaßliche Mafia-Pate Jeremiasz Baranski in seiner Zelle im Gefangenenhaus Wien-Josefstadt das Leben. Er wurde um 5.00 Uhr erhängt aufgefunden. Der gebürtige Pole war angeklagt gewesen, den Mord an dem früheren polnischen Sportminister Jacek Debski in Auftrag gegeben zu haben. Bei einem früheren Versuch, aus dem Leben zu scheiden, hatte Baranski Putzmittel getrunken. Damals bestand für ihn aber keine Gefahr. Später behauptete der mutmaßliche Mafia-Pate, Ermittler hätten ihn vergiften wollen.

Jährlich durchschnittlich zehn Suizide in Gefängnissen

Durchschnittlich zehn Häftlinge pro Jahr nehmen sich in österreichischen Gefängnissen das Leben. Kritisch sind die ersten Tage in U-Haft und die Zeit um die Urteilsverkündung. Einen Rückgang der Suizidrate hinter Gittern brachte die Einführung des Viennese Instrument for Suicidality in Correctional Institutions (VISCI).

Der Suizid Alijews ist der erste heuer, sagte Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion. 2014 nahmen sich acht Insassen das Leben, 2013 sieben und 2012 zwölf.

In den Jahren 1991 bis 2005 lag die Selbstmordrate in Österreichs Gefängnissen bei durchschnittlich zwölf pro Jahr, mit der niedrigsten Zahl von acht Fällen und einem Höchststand von 20 Suiziden. Im Dezember 2007 wurde VISCI eingeführt. 2008 sank die Anzahl der Suizide daraufhin auf sechs. "Wir tun wirklich alles, um Selbstmorde zu vermeiden. Aber wenn es jemand wirklich vorhat, kann man das nur schwer verhindern", sagte Prechtl.

VISCI ist ein Formular mit 20 Fragen - u.a. zur sozialen Situation, der kriminellen Vergangenheit und der psychologischen Geschichte des Häftlings -, der die Vollzugsbeamten gleich bei der Einlieferung auf Umstände aufmerksam machen soll, die bei anderen Insassen zu einem Selbstmord oder Suizidversuch geführt haben. Schließlich können neu Aufgenommene nicht immer sofort einem Fachmann vorgeführt werden, etwa wenn sie in der Nacht hinter Gittern landen.

Das VISCI-System funktioniert wie eine Ampel: Rot bedeutet hohe Gefährdung, gelb heißt unsicher, grün nichts zu erkennen. Liegt eine erhöhtes Risiko vor, soll der Betreffende unverzüglich durch einen Facharzt untersucht werden, der dann weitere Schritte veranlasst. Bei "Gelb" wird der Häftling zumindest nicht allein untergebracht. Aliyevs Suizidgefährdung wurde als "Grün" eingestuft - also nichts zu erkennen. (APA, 24.2.2015)