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Das Bild stammt aus dem estnischen Wahlkampf im Jahr 1999. Damals ging es um die Mitgliedschaft zur EU und wirtschaftliche Reformen.

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Der estnische Premierminister Taavi Rõivas ist Chef der liberalen "Reformpartei".

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Edgar Savisaar führt die linkspopulistische "Zentrumspartei" an.

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Relativ verschlafen. So nennt der Politikwissenschafter Tõnis Saarts den aktuellen Wahlkampf in Estland. Am Sonntag entscheiden die rund eine Million Wahlberechtigten über die Zusammensetzung der 101 Mandate im estnischen Parlament. Die Umfragen in den vergangenen Wochen sind nicht eindeutig: Einmal führt die regierende liberale "Reformpartei" von Premierminister Taavi Rõivas, einmal werden der oppositionellen linkspopulistischen "Zentrumspartei" von Edgar Savisaar Chancen auf den Sieg prophezeit. Wieder andere Befragungen sehen die beiden Kopf an Kopf. Der Wahlausgang bleibt also ungewiss.

Russland und Sicherheit

Es sind zwei Themen, die den aktuellen Wahlkampf in Estland prägen. Zum einen hat der aktuelle Konflikt zwischen Russland und der Ukraine innenpolitische Auswirkungen auf das baltische Land, das eine lange Geschichte und eine rund 300 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt.

Estland war bis zur Unabhängigkeit 1990 eine sowjetische Teilrepublik. Die gemeinsame Geschichte prägt das Land bis heute sowohl innen- als auch außenpolitisch. Rund 30 Prozent der Esten sind Teil der russischen Minderheit, deren Integration nicht gerade als Erfolgsgeschichte gilt. Die Mehrheit der wahlberechtigten Russen in Estland entscheidet sich für die linkspopulistische "Zentrumspartei", die sich aktuell in Opposition befindet.

Das Thema Russland und Ukraine findet politisch seinen Niederschlag in der Aufwertung der Sicherheitspolitik. Über alle Parteigrenzen hinweg sind sich Politiker einig, dass Sicherheit verstärkt werden müsse – was als Angst vor einer weiteren Expansionspolitik Russlands einzustufen ist. Allein die "Zentrumspartei" versucht soweit als möglich, das Thema zu vermeiden. Denn schlägt sie sich auf die Seite Russlands, verliert die Partei die Stimmen der Esten, betont sie Kritik an Russland, sind die Stimmen der russischen Minderheit in Gefahr.

Trotz Arbeit an der Armutsgrenze

Das zweite dominante Wahlkampfthema ist der niedrige Lebensstandard. Obwohl nach Angaben von Statistics Estonia die Arbeitslosenrate in Estland im Jahr 2014 relativ niedrig bei durchschnittlich 7,4 Prozent lag und Estland damit im EU-Vergleich im besten Drittel liegt, ist der Lebensstandard relativ niedrig. "Die Leute sind zwar beschäftigt, aber oft liegt das Einkommen trotz Arbeit knapp unter der Armutsgerenze", sagt Politikwissenschafter Saarts. Als Lösungsvorschläge werden Befreiung von der Lohnsteuer von Einkommen unter 500 Euro genannt, oder die Anhebung eines Mindeslohnes auf bis zu 1000 Euro. Saars: "Es wird so getan, als könne die Verteilung von Geldern die ökonomischen Probleme lösen. Über eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird aber kaum nachgedacht."

Kleinparteien rütteln auf

Was die Parteienlandschaft ein wenig aufrütteln könnte, sind zwei Kleinparteien, die voraussichtlich die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und ins Parlament einziehen werden: die "Free Party" und die rechtsnationale "Konservative Volkspartei". Die Free Party hat sich nichts weniger als eine Veränderung der politischen Kultur des Landes ins Parteiprogramm geschrieben. Die erst im Herbst vergangenen Jahres gegründete Partei will frischen Wind in das etablierte und statische Parteiensystem bringen. Vor allem die Sozialdemokraten, die als Koalitionspartner seit 2014 in der Regierung sind, könnten an die "Free Party" Stimmen verlieren.

Die "Konservative Volkspartei" punktet vor allem mit der Ablehnung der eingetragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, lehnt Einwanderung nach Estland ab und stellt sich gegen eine weitergehende Integration in die EU. Besonders das konservative Parteienbündnis "Pro-Patria und Res-Publica-Union" (IRL), bisher drittstärkste Kraft im Parlament, könnte an die "Konservative Volkspartei" Stimmen verlieren.

Elektronischer Stimmzettel

Obwohl weder der Wahlsieger feststeht und eventuell neue Parteien ins Parlament einziehen, kommt der Wahlkampf nicht so richtig vom Fleck. Das könnte auch dazu beitragen, dass die Wahlbeteiligung weiterhin nicht besonders hoch ist. Bei den Wahlen 2011 lag sie bei 63 Prozent. Auch die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe seit dem Jahr 2007 hat nicht dazu beigetragen, dass mehr Wählerinnen und Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Es sind allerdings auch nicht weniger geworden. (mka, derStandard.at, 26.2.2014)