Johanna Schober, COO von Sproing Interactive

"Klassische Finanzierung über Banken fällt in unserer Branche weitgehend aus, und Risikokapitalgeber, die bereit sind, in ein Game-Studio zu investieren, kenne ich nicht. Das kann auch die öffentliche Hand nicht auffangen. Mit heimischen Förderungen kann man vielleicht einen Prototyp finanzieren, aber kein ganzes Projekt. Früher oder später muss man also an internationale Partner heran."

Foto: Sproing/Julie Brass

"Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass man AAA machen muss. Aber es bedeutet, dass man in einer Nische Exzellenz erreichen muss. Wir haben hier sehr gute Leute versammelt – ehrgeizige, kreative Newcomer ebenso wie erfahrene Silberrücken –, aber wir alle müssen ständig besser werden, und es gibt natürlich Luft nach oben."

Foto: Sproing/Julie Brass

"Mit einem großen Namen wie Double Fine oder einer zugkräftigen IP lassen sich Kickstarter oder Early Access als Finanzierungstool nutzen, für weniger bekannte Entwickler sind sie eher ein Marketingtool. Das kann auch sehr wertvoll sein, aber häufig werden Kosten und Aufwand von Crowdfunding unterschätzt."

Bild: Das Team von Sproing

Foto: Sproing/Julie Brass

Österreich ist ein reiches Land mit einem hohen Bildungsniveau. Eigentlich gute Voraussetzungen für eine Hightech-Industrie wie die Videospielbranche. Im Interview mit dem GameStandard erklärt Johanna Schober, zuständig für das operative Geschäft beim 90-köpfigen Wiener Studio Sproing Interactive, weshalb es trotz starker personeller Ressourcen hierzulande nicht möglich ist, Blockbuster-Games (AAA-Games) vom Format eines "Call of Duty" oder "Tomb Raider" zu produzieren, und heimische Hersteller gut daran täten, nach Exzellenz in der Nische zu streben.

GameStandard: Thomas Mahler von den Moon Studios meint, es gebe in Österreich weder ausreichend Geld noch genügend Talente, um Top-Konsolenspiele zu produzieren. Gibt es in Österreich die finanziellen und personellen Ressourcen, um international vorne mitzuspielen?

Schober: Die personellen Ressourcen sehe ich durchaus – es gibt in mehreren Wiener Studios erfahrene Entwicklerinnen und Entwickler, die sich auch in AAA-Produktionen bewähren könnten. Wenn man an eine Konsolenproduktion im AAA-Segment denkt, wäre jetzt kein lokales Studio – auch Sproing nicht – groß genug, denn die Produktionen in diesem Bereich binden auch einmal mehrere hundert Mitarbeiter. Thomas hat aber meinem Verständnis nach eher die Fähigkeiten angesprochen, die hier in der heimischen Entwicklerszene vorhanden sind – und die finde ich wirklich sehr gut.

Die finanziellen Ressourcen sehe ich ebenso wenig wie Thomas – es gibt ja keinen Publisher in Österreich, der Projekte finanziert. Klassische Finanzierung über Banken fällt in unserer Branche weitgehend aus, und Risikokapitalgeber, die einerseits bereit sind, in ein Game-Studio zu investieren, und andererseits, ein Budget in die Hand zu nehmen, mit dem man ein Entwicklungsprojekt auch umsetzen kann, kenne ich nicht. Das kann auch die öffentliche Hand nicht auffangen. Mit heimischen Förderungen kann man vielleicht einen Prototyp finanzieren, aber kein ganzes Projekt. Früher oder später muss man also an internationale Partner heran.

GameStandard: Gibt es genügend Ausbildungsplätze in Österreich für Game-Design und Programmierung?

Schober: Mein Eindruck ist, dass wir lokal sehr gute Junior-Programmierer bekommen. Hier gibt es einige Ausbildungsstätten, die verlässlich gute Absolventen hervorbringen, beispielsweise das Technikum Wien, die FH Salzburg, die TU Wien. Etwas schwieriger wird es bei Game-Design, weil es hier auch keine spezialisierten Ausbildungen gibt. Manche Ausbildungen in Österreich sehe ich als zu breit an. In jedem Fall beginnt das Lernen in unserer Branche erst so richtig mit dem ersten Job, denn Innovationen geschehen so schnell, dass jedes Projekt neue Herausforderungen bereithält. Darum ist und bleibt es wichtig, dass es zahlreiche große und kleine Entwicklerstudios hier in Österreich gibt.

GameStandard: Wie groß ist das Problem der Abwanderung von Fachkräften?

Schober: Die Abwanderung sehe ich nicht als ein großes Problem – es gibt ja auch genügend Zuwanderung, und in einer komplett globalisierten Branche wie unserer ist internationaler Austausch eine gute Sache.

GameStandard: Woher bezieht Sproing seine Fachkräfte?

Schober: Unsere Leute kommen aus der ganzen Welt. Die meisten kommen aus Österreich oder Deutschland, aber insgesamt haben wir 16 verschiedene Nationen in unserem Unternehmen, bei knapp 90 Leuten insgesamt. Wir schreiben unsere Jobs auf Games-Websites aus, und viele finden uns auch über Recruiting-Agenturen oder Social Media. Und unsere österreichischen Teammitglieder sind zu einem großen Teil gleich nach der Ausbildung zu uns gestoßen und haben ihr Handwerk zu einem guten Teil bei Sproing gelernt – darauf bin ich persönlich sehr stolz.

GameStandard: Was bräuchte es, um die Kreativszene in Österreich auszubauen?

Schober: Das ist ein weites Feld. Auf der Seite von Rahmenbedingungen am Standort: Wir sind ein teures Land – mit Lohnkosten in Deutschland oder der Entwicklerförderung in Skandinavien können wir beispielsweise nicht mithalten. Wir leisten uns überflüssige bürokratische Hürden, zum Beispiel bei der Rot-Weiß-Rot-Card oder im Arbeitsrecht. Wir haben ein gutes Förderwesen, aber mit der aggressiven Standortförderung, wie sie in anderen Weltgegenden betrieben wird, halten wir bei weitem nicht mit. Ob es eine gute Strategie der öffentlichen Hand wäre, andere Standorte in Förderungen und Tax-Breaks zu übertreffen, ist dabei eine andere Frage.

Für die Szene selbst – und das zeigt auch die von Thomas Mahler angeregte Debatte – ergibt sich aus diesen Rahmenbedingungen, dass man in Österreich nur in die obersten Qualitätssegmente streben kann. Für eine kosteneffiziente Strategie muss man seinen Unternehmensmittelpunkt anderswo haben. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass man AAA machen muss. Aber es bedeutet, dass man in einer Nische Exzellenz erreichen muss. Wir haben hier sehr gute Leute versammelt – ehrgeizige, kreative Newcomer ebenso wie erfahrene Silberrücken –, aber wir alle müssen ständig besser werden, und es gibt natürlich Luft nach oben. Da schließe ich Sproing nicht aus.

Und ohne speziellen Adressaten: Es würde mich freuen, wenn Geld aus Österreich auch leichter in österreichische Hightech-Unternehmen fließen würde. Mein Eindruck ist, dass es in Österreich eher "altes Geld" gibt, das auch gerne in Unternehmen investiert wird, aber nur, wenn dort auch Maschinenhallen damit ausgerüstet werden.

GameStandard: Ist die österreichische Industrie möglicherweise einfach zu klein, um Games auf AAA-Niveau hervorbringen zu können?

Schober: Müsste man morgen ein 200-Personen-Team zur Stelle haben, wäre sie zu klein, aber so funktioniert keine AAA-Produktion. Es gibt es immer eine Pre-Production mit einem kleinen Team und dann einen Ramp-up, um die Teamstärke für die Hauptproduktion zu erreichen, in Kombination mit Outsourcing von großen Teilen der Produktion. Das könnte man aus Wien theoretisch genauso machen, doch ist eine solche Produktion ein enorm risikobehaftetes Geschäftsmodell mit extremer Abhängigkeit von einem großen Partner. Viele Entwickler scheitern daran, solche Projekte zum Erfolg zu führen – und viele Projekte werden auch vonseiten des Publishers aus Gründen eingestellt, die nicht unbedingt im Einflussbereich des Entwicklers liegen. Es gibt also gute Gründe, andere Geschäftsmodelle in Games zu verfolgen – ich halte AAA nicht für den heiligen Gral der Spieleentwicklung.

GameStandard: Welche Möglichkeiten haben junge Studios in Österreich, um den Betrieb zu finanzieren?

Schober: Es gibt gute Förderungen, um die ersten Schritte zu erleichtern, zum Beispiel bei der Wiener Wirtschaftsagentur. Auch das AMS-Gründerprogramm ist ein beliebter Weg, um die ersten Schritte zu erleichtern. So kann man sich aber nur einen Teil der Finanzierung sichern. Wer nicht reich geheiratet hat, wird um die Suche nach internationalen Partnern nicht herumkommen – sei es im Rahmen eines Investments oder im Rahmen eines Publishing-Deals.

GameStandard: Was halten Sie von Crowdfunding-Systemen wie Kickstarter und Early Access? Nutzen Sie diese selbst, und würden Sie jungen Entwicklern dazu raten, ihre Spiele auf diese Weise zu finanzieren?

Schober: Wir machen bisher kein Crowdfunding, ich kann daher eher aus zweiter Hand antworten. Mein Eindruck ist, dass dies eher Tools für etabliertere Entwickler sind. Mit einem großen Namen wie Double Fine oder einer zugkräftigen IP lassen sich Kickstarter oder Early Access als Finanzierungstool nutzen, für weniger bekannte Entwickler sind sie eher ein Marketingtool. Das kann auch sehr wertvoll sein, aber häufig werden Kosten und Aufwand von Crowdfunding unterschätzt. Das muss man sich also im Einzelfall sehr gut überlegen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 26.2.2015)