Reuters / Bobby Yip

Der Engländer Stuart Gulliver, Chef der zweitgrößten Bank der Welt HSBC, gerät zunehmend in Kritik

Die zweitgrößte Bank der Welt steckt in einer schweren Krise. Am Montag musste der HSBC-Konzern für 2014 einen Gewinnrückgang um 17 Prozent auf 16,53 Mrd. Euro bekanntgeben. Mitverantwortlich dafür waren Strafen in Milliardenhöhe, die dem Finanzhaus wegen dubioser Geschäftspraktiken von Regulierungsbehörden in aller Welt auferlegt worden waren. Die mutmaßliche Mithilfe zur umfassenden Steuerhinterziehung unterliegt kriminalpolizeilichen Untersuchungen in den USA, Argentinien und der Schweiz. Nun steht auch noch Vorstandschef Stuart Gulliver wegen seiner persönlichen Finanzverhältnisse im Zwielicht.

Millioneneinkünfte

Die Bank bestätigte am Montag Recherchen des Londoner Guardian: Der frühere Trader und Leiter der HSBC-Investmentbank hatte sich jahrelang seine Millioneneinkünfte auf ein Schweizer Konto überweisen lassen. Dieses lautete auf die in Panama angesiedelte Firma Worcester Equities und wies 2007 einen Betrag von 7,6 Mio. Dollar auf. Dafür gebe es eine "ganz alltägliche Erklärung", erläuterte Gulliver bei der Vorstellung der Jahresbilanz. Mit dem komplizierten Arrangement habe er sich vor der Neugierde seiner Kollegen in Hongkong sowie in der Schweiz schützen wollen. Seit seiner Aufnahme in den Vorstand sind Gullivers Bezüge öffentlich. Im vergangenen Jahr betrugen sie 10,3 Millionen Euro.

Der gebürtige Brite hat seinen offiziellen Wohnsitz in Hongkong und genießt in Großbritannien den Status eines "nicht-domizilierten" Steuerzahlers, obwohl er den Konzern von London aus leitet. Wie 350 andere Spitzenmanager des Konzerns ist Gulliver bei der HSBC-Tochter in den Niederlanden angestellt. "Stuart hat nichts getan, was nicht völlig legal, transparent und vorschriftsgemäß gewesen wäre", sagte HSBC-Chairman Douglas Flint.

Nichts zu feiern

Anstatt die Feiern zum 150-jährigen Jubiläum ihrer 1865 als Hongkong und Shanghai Banking Corporation gegründeten Firma zu planen, muss sich die Führungsspitze der "Heimat-Bank der ganzen Welt" (HSBC-Werbeslogan) dieser Tage dauernd rechtfertigen. Flint steht am Mittwoch eine peinliche Befragung vor dem Finanzausschuss des Unterhauses bevor. Gulliver muss kurz danach den Parlamentariern des Rechnungsprüfungsausschusses Rede und Antwort stehen.

Dessen Vorsitzende Margaret Hodge hatte zuletzt die Leiterin der Steuerbehörde HMRC verbal abgewatscht: Anstatt tausenden von Steuerbetrügern Strafverfahren aufzubrummen und strafrechtlich gegen die Bank vorzugehen, konzentrierten sich die Steuerfahnder lediglich auf das Eintreiben hinterzogener Beträge. Freilich war die saumselige Einstellung gegenüber Finanzkriminellen keineswegs auf Großbritannien beschränkt. Die Schweizer Strafverfolger konzentrierten ihre Ermittlungen jahrelang auf den IT-Experten Hervé Falciani, der 2007 zahlreiche Unterlagen über die schmutzigen Geschäfte der Genfer HSBC-Niederlassung aus der Bank gestohlen hatte. Falciani lebt mittlerweile unter Polizeischutz in Frankreich.

Dubiose Geschäfte

Aus Falcianis Unterlagen geht hervor: Bis mindestens 2007 ging die Schweizer Privatbank-Tochter aktiv Steuerflüchtlingen und Kriminellen zur Hand. Die dubiosen Geschäfte fielen in die Amtszeit von Stephen Green als HSBC-Vorstandschef; der gelernte anglikanische Pfarrer, Autor eines Buches über Bankenethik, amtierte anschließend von 2010 bis 2013 als unbezahlter Staatssekretär in der Cameron-Regierung.

Die amtierende HSBC-Spitze spricht von einer völlig umgekrempelten Unternehmensstruktur und hat sich mehrfach entschuldigt. Die Anleger beeindruckt das wenig: An der Londoner Börse fiel die Aktie am Montag um fünf Prozent. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 24.2.2015)