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Eindrücke der 87. Oscar-Nacht: Moderator Neil Patrick Harris zog sich aus ...

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... Patricia Arquette wies kämpferisch auf Gleichberechtigung hin ...

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... Julianne Moore strahlte.

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Wien / Los Angeles – Ein Kopf-an-Kopf-Rennen war für die 87. Oscar-Verleihung angekündigt worden, am Ende gab es dann doch einen eindeutigen Gewinner: Alejandro G. Iñárritus überdrehte Broadway-Komödie Birdman eroberte vier Oscars, darunter die prestigeträchtigen für "bester Film" und "beste Regie", während Richard Linklaters Coming-of-Age-Film Boyhood nur eine einzige Trophäe – Patricia Arquette wurde "beste Nebendarstellerin" – für sich erobern konnte.

Über die Gründe für diese Präferenz der Academy kann man viel spekulieren. Ein Nachteil dürfte wohl der frühe Favoritenstatus von Linklaters über zwölf Jahre hinweg gedrehtem Film gewesen sein – seine Wirkung war schon etwas verpufft. Birdman dagegen feierte, passend zur "Award-Season", erst im Herbst Premiere, sein Siegeszug gewann seitdem unaufhörlich an Kraft.

Mit einer Unterhose gab er dem Abend auch sein Maskottchen: In einer der komischsten Szenen aus dem Film sieht man, wie "Birdman" Michael Keaton im Slip über den New Yorker Times Square hetzt, weil er sich aus dem Theater ausgesperrt hat. Moderator Neil Patrick Harris kam einmal bis auf den Feinripp entkleidet auf die Bühne, und Iñárritu scherzte gar, er hätte die nämliche Unterhose aus dem Film als Glücksbringer übergestreift. Selbst über deren Geruch verlor er ein paar Worte.

Richtig entblößt wurde auf der insgesamt zahmen Veranstaltung allerdings niemand. Harris, der zum ersten Mal durch den Abend führte, fiel durch Zurückhaltung auf: Nach der quirligen Ellen DeGeneres im Vorjahr, die die Idee mit dem berühmt gewordenen Selfie hatte, bewegte sich der Serienstar dezent im Hintergrund. Den besten Witz machte er ausgerechnet beim Preis für Laura Poitras’ Dokumentarfilm Citizenfour, als er die Abwesenheit von Whistleblower Edward Snowden mit einem Wortspiel erklärte: "He couldn’t be here for some treason." ("Hochverrat", was zunächst wie "reason", ein "Grund", klingt.)

Engagierte Reden

Der Witz war wohl als politische Entschärfung eingeplant gewesen. Die sichtbar nervöse Regisseurin, die von Glenn Greenwald begleitet wurde, wies in ihrer Rede erneut darauf hin, dass die NSA-Überwachung nicht nur die Privatsphäre, sondern auch die Demokratie gefährde.

Es war einer von drei gezählten Momenten des Abends, an dem das Engagement für eine Sache auch ausdrücklicher wurde: Patricia Arquette kam in Fahrt, als sie sich energisch für gleiche Gehälter für Frauen starkmachte. Nicht nur Meryl Streep und Jennifer Lopez motivierte dies zu Jubel im Auditorium. John Legend und Common, für den Song Glory im Bürgerrechtsdrama Selma prämiert, kamen auf die Aktualität des Martin-Luther-King-Films zu sprechen: Gegenwärtig säßen mehr Afroamerikaner in Gefängnissen, so Legend, als 1850 in Sklaverei gehalten wurden.

Selma hatte schon nach Bekanntgabe der Nominierungen einige Diskussionen über die Besetzung der vornehmlich weißen, männlichen Academy ausgelöst – viele Beobachter hatten sich mehrere Nennungen für den Film erwartet. Dabei gab es in der Filmauswahl in anderer Hinsicht ungleich mehr Diversität, was sich nun auch in den Preisen niederschlug: Nie zuvor vermochte jeder in der Kategorie "bester Film" nominierte Film zumindest einen Oscar nach Hause zu bringen.

Die besten Darsteller, Julianne Moore für das Alzheimer-Drama Still Alice und Eddie Redmayne für The Theory of Everything, "retteten" ihren Filmen je einen Preis. Zu den Gewinnern zählte auch Wes Andersons einfallsreiche Komödie The Grand Budapest Hotel, die mit vier Oscars sogar mit Birdman gleichziehen konnte (wenngleich ihr die Hauptkategorien versagt blieben). Eine weitere Independent-Produktion, Damien Chazelles Jazzdrama Whiplash, holte drei Statuetten, mit J. K. Simmons’ Part als sadistischem Musiklehrer auch jene für den besten Nebendarsteller.

Sind die vielen Preise für unabhängige Produktionen ein Indiz für einen Wandel in Hollywood? Wohl kaum. Die Entwicklung bildet ein Auseinanderdriften ab, das die US-Filmindustrie schon länger beschäftigt: da die hochgezüchteten Großproduktionen, die auf der Oscar-Gala auch wiederholt für Gags herhalten mussten; auf der anderen Seite eine wachsende Anzahl kleiner budgetierter Filme, die keine großen Kassenmagneten sind. American Sniper, Clint Eastwoods so erfolgreicher Irakkriegsfilm, bildet da eine Ausnahme – er wurde jedoch nur für den besten Tonschnitt prämiert.

Ohne historische Tiefe

Und so blieb es am Ende vor allem ein Abend der Favoriten: Pawel Pawlikowski wäre da noch zu nennen, der für Ida den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt. Einmal mehr als Nachteil erwies sich, die Preise für das Lebenswerk vorab zu vergeben. Das raubt dem Abend seine historische Dimension, die sich dann ausgerechnet mit einer Reminiszenz an The Sound of Music einstellte. Mit Julie Andrews und Lady Gaga wurde das 50-Jahr-Jubiläum der Österreich-Schmonzette gefeiert. Da glich die Oscar-Nacht plötzlich einer aufgejazzten Version vom Musikantenstadl. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 24.2.2015)