Wien - Einen Motorjournalisten, verehrte Leserschaft, dürfen Sie sich durchaus als abgebrühten Menschen vorstellen. Natürlich nur fachlich. So einer kennt alles an Autos, an Technik, was da auf Gottes schöner Erde rumfährt. So viel direkte Produktkenntnis haben wohl nicht einmal die großen Konzernchefs. Jedenfalls kann so einen kaum etwas überraschen.

foto: andreas stockinger

Warum wir so weit ausholen und Ihre Geduld strapazieren? Nun, weil uns dieses Auto wirklich überrascht hat. VW Passat Variant. Inbegriff biederer Mittelklasse seit Generation. Daran hat sich nichts geändert. Aber. Auf welchem Niveau spielen die denn plötzlich? Da fehlt nur noch ein Hauch zu BMW (3er) und Mercedes (C-Klasse). Audis nächster A4 wird ganz schön was bieten müssen, um Argumente gegen diesen Passat zu liefern, die über die Markenstrahlkraft hinausgehen.

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Von der anderen Seite aufgezogen, jener der traditionellen Mittelklasse, wäre zu ergänzen: Das Konkurrenzumfeld dünnt aus. An wirklich guten Gegnern zu nennen (auch absatzseitig) sind in Europa nur noch Ford Mondeo, Opel Insignia und der fantastisch fahraktive Mazda6. Alle drei wirklich feine Autos, alle drei top in bestimmten Bereichen. Aber wie der Golf in Summe eine Klasse für sich ist, so nun auch der Passat. Kann alles und kann alles perfekt. Wenn so, dann meinetwegen auch bieder. Wobei, das Design wirkt zwar zeitlos, aber auch elegant, genieren muss man sich auch in der Hinsicht nicht.

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Geradlinig gestrickt, gibt nichts beim Bedienen Rätsel auf, und die noble Materialanmutung wird Passatisti ebenso ergötzen wie der viele Platz und der üppige Laderaum.

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Im Kofferraum Haken zum Fixieren von Zeugs mit Henkel, die Seitenfächer über den Radkästen mit Trennwand zum übrigen Kofferraum (Platz für Kleinkram also, der dann nicht hinten herumkugelt), und seitlich an der D-Säule Griffe zum Entriegeln der jeweiligen Seite der Rückbank (bei Raumerweiterungsbedarf) - alles durchdacht bis ins Detail.

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Die Sitze versprechen Langstreckenkomfort und halten das Versprechen, wir haben das ausgiebig getestet. Und die Kombination Lenkung-Fahrwerk-Getriebe-Motor ist von geradezu erlesener Harmonie. Lenkung: direkt, präzise. Fahrwerk: Abrollkomfort auf staunenswert hohem Niveau. DSG: In sechs Gängen sortiert das Doppelkupplungsgetriebe die Wünsche des Fahrers. 150-PS-Diesel: vorbildlich geräuschgedämmt, selbst winters dringt kaum bauarttypisches Geräusch nach innen.

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Ja, der Selbstzünder wirkt sogar richtig seidig, eine gute Wahl auch hinsichtlich Temperament und Verbrauch - tritt hurtig an bei Bedarf und blieb im Test dennoch stets unter der Siebenlitermarke. Das kann nur BMW noch besser.

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Der Passat ist ein Abkömmling der neuen technischen Architektur MQB (Modularer Querbaukasten), der schon beim Golf gezeigt hat, welch hohe Erwartungen man in das Kürzel setzen darf. Der Passat, das bestätigen die Herz-und-Nieren-Tests einschlägiger Fachmagazine einhellig, ist ein ganz großer Wurf. Den es zwar nicht geschenkt gibt, aber wo gibt es das schon.

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Ganz vorn mit spielt der VW-Geschäftsreisende auch noch bei Sicherheit (Fußgängererkennung, wie beim Mondeo) und Konnektivität. Da setzt VW überhaupt einen besonderen Schwerpunkt. Lohn der Anstrengungen: Der Passat lässt bei diesem Topthema der nächsten Jahre selbst manchen Premiumgegner blass aussehen. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 20.2.2015)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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