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Eine höhere Kapitalertragssteuer ist im Gespräch. Eine Variante zu finden, bei der die Sparbuchbesitzer nicht zum Handkuss kommen, ist aber nicht ganz einfach: Hier müsste die Opposition mitspielen.

Foto: APA/gindl

Wien – Eine Strategie bei der SPÖ zu erkennen fällt Thomas Hofer nicht leicht. "Außer die Strategie heißt Verwirrtaktik", sagt der Politikberater. Am Freitag hat Kanzler Werner Faymann - nach einem Schwenk von Wiens Bürgermeister Michael Häupl - die Forderung nach Vermögenssubstanzsteuern aufgegeben.

Die neue Devise lautet: Vermögenszuwachssteuern. Was das genau heißt, versucht man nach und nach klarzustellen. Eine Erbschafts- und Schenkungssteuer wolle man weiter. Eine nicht näher definierte neue Grundsteuer auf "Luxusimmobilien" ebenso. Und eine höhere Kapitalertragssteuer (KESt), von der aber Sparbücher nicht betroffen sein sollen, wie sich SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Montag zu betonen beeilte.

Häupls Bärendienst

Kommunikationstechnisch habe Häupl dem Kanzler einen "Bärendienst" erwiesen, sagt Hofer. Es sei offensichtlich, dass es in der SPÖ keine Abstimmung gebe. "Und jeder fragt sich: Wer hat das Heft in der Hand?" Auf der inhaltlichen Ebene könne der Häupl-Schwenk aber ein Vorteil sein. "Er hat den Druck, es müsse echte Vermögenssubstanzsteuern geben, herausgenommen. Hätte Faymann den Kurswechsel selber eingeleitet, wäre er als Umfaller dagestanden", glaubt Hofer.

Für seinen Kollegen Peter Filzmaier ist das Grunddilemma, dass Regierung, Bundesparteien, Landesparteien und Interessengemeinschaften wie der ÖGB immer unterschiedliche Strategien verfolgen. Für Regierung und Bund mache es keinen Sinn, wenn jetzt nur über neue Steuern diskutiert werde. Häupl wiederum wolle das Thema einfach nur schnellstmöglich erledigt haben, um sich dem Wiener Wahlkampf widmen zu können. "Da kann er keine bundespolitischen Themen brauchen."

Debatte um kleine Sparer

Neben den strategischen hat die Koalition jedenfalls auch sachliche Probleme zu lösen. Um kleine Sparer nicht zu belasten, sind Freigrenzen im Gespräch. Für eine Änderung bräuchte die Regierung freilich Teile der Opposition. Mit deren Zustimmung ist aber wohl nicht zu rechnen, wie STANDARD-Recherchen zeigen.

Aber der Reihe nach: Die Kapitalertragssteuer ist per Verfassungsbestimmung geregelt. Sie darf maximal halb so hoch wie der Spitzensteuersatz sein. Für eine Änderung wäre daher im Parlament eine Zweidrittelmehrheit nötig. Gibt es diese nicht, würde bei jeder Anhebung der KESt auch der Spitzensteuersatz steigen. Ein Beispiel: Hebt man die KESt auf 30 Prozent an, würde der Spitzensteuersatz auf 60 Prozent klettern, bei 35 Prozent wären es bereits 70 Prozent Spitzensteuer. Das könnte die ÖVP ihren Wählern wohl nicht verkaufen.

"Bankgeheimnis würde nicht mehr gelten"

Folglich müsste Rot-Schwarz entweder die Grünen oder die Freiheitlichen an Bord holen (die Zustimmung von Neos und Team Stronach würde nicht reichen). FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs winkt im STANDARD-Gespräch klar ab. "Aus heutiger Sicht kommt das nicht infrage." Fuchs' Bedenken: Auch wenn man Freigrenzen einführe, würde zunächst auch bei jedem Sparbuch die höhere KESt anfallen. Den zu viel bezahlten Betrag müsste man sich im Folgejahr über die Arbeitnehmerveranlagung zurückholen. "Das heißt aber: Man müsste der Finanz gegenüber alle Sparbücher offenlegen. Für die kleinen Sparer würde also das Bankgeheimnis nicht mehr gelten." Das sei "höchst ungerecht", findet Fuchs.

Theoretisch gibt es bereits jetzt die Möglichkeit, sich die KESt vom Finanzamt zurückzuholen. Und zwar dann, wenn das Jahreseinkommen unter 11.000 Euro liegt (und kein Anspruch auf Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag besteht). Fuchs, im Zivilberuf Steuerberater, gibt aber zu bedenken: "Das machen die wenigsten, weil sie nicht wollen, dass die Finanz über alles Bescheid weiß."

Grüne wollen Ökosteuern

Der grüne Budgetsprecher Bruno Rossmann meint, man werde die Steuerreform als Gesamtpaket beurteilen. Und nach allem, was bisher bekannt sei, werde es wohl keine Zustimmung der Grünen geben. So werde nicht über Ökosteuern diskutiert, die für die Grünen unabdingbar wären. Nicht vorstellbar sei auch die Zustimmung zu höheren Mehrwertsteuersätzen. Und eine Steuerreform ohne Erbschafts- und Schenkungssteuer, die die ÖVP noch immer ablehnt, sei ebenfalls denkunmöglich, so Rossmann.

Angesichts der Sparbuchdebatte versuchte SP-Klubchef Schieder am Montag zu beruhigen. Der jährliche Vermögenszuwachs von fünf bis zehn Milliarden Euro werde schließlich nicht bei Sparbüchern, sondern unter anderem bei Aktien und Investmentfonds lukriert.

Immobilien stärker besteuern

Am Problem der Koalition ändert das aber nichts: Auch bei der Dividenden-KESt bräuchte die Regierung die Zustimmung der Opposition. Im Alleingang könnte Rot-Schwarz nur bei der 2012 eingeführten Wertpapier-KESt (hier werden die Kursgewinne, nicht die Dividenden besteuert) und bei der Immobilienertragssteuer ansetzen.

Neuerliche Warnungen gab es am Montag von Wirtschaftskammervertreter der Branchen Kinos, Theater, Vergnügungsbetriebe und Kartenbüros. Sie sprachen sich gegen eine Anhebung der Mehrwertsteuer in diesen Bereichen von zehn auf 20 Prozent aus. Diese könne zu einem Jobabbau führen, hieß es.

Auch Schieder ist bei der Anhebung der Mehrwertsteuersätze skeptisch, denn diese könnte sehr schnell wieder zu einer Massensteuer werden. Als Beispiele hierfür nannte er Steuern auf Treibstoff: "Als Arbeitnehmer habe ich dann zwar eine Entlastung, als Tanker habe ich aber eine neue Belastung – das ist kein gutes Modell." Ebenso schließt Schieder eine Anhebung der Steuersätze für Kunst und Kultur aus: "Österreich ist eine Kulturnation. Die Aufregung bei einer Anhebung ist hier schädlicher, als die Einnahmen nützlich sind." (Günther Oswald, Sophie-Kristin Hausberger. derStandard.at, 23.2.2015)