Man muss ja nun wirklich nicht mit jedem einzelnen der gut 400 Vorkoster einer Meinung sein. Man muss nicht jeder Schnecke nachsteigen, die sie vergeben. Das wissen die Userinnen und User von "Osterie d'Italia" so gut wie Tausende regelmäßige Schmeck's-Leserinnen und Leser - die meisten vermutlich ohnehin in Personalunion.

Calamandrana zum Beispiel geht mir da nicht aus dem Kopf. - Ich staune jedes Jahr auf's Neue, dass es in dem Ort wieder zwei Lokale mit Schnecken gibt: Das zweite wollte ich einst aus Grant über das erste gar nicht mehr näher kennenlernen. Mir jedenfalls scheint eine der zwei Schnecken in diesem Ort recht zweifelhaft.

Aber ich wollte ja die Jubiläumsausgabe des - auf Deutsch bei Hallwag erscheinenden - Osteriaführers feiern. Da empfiehlt sich ein neues Lokal mit Sinn für Tradition - und völlig berechtigter Schnecke: Consorzio in Turin.

Die Schnecke unterstreiche ich besten Gewissens. Und nicht nur, weil ich hier endlich lernte, was man zum fünften Viertel von der Kuh trinken muss - so überzeugt wurde mir noch selten ein Wein verpflichtend ans Herz gelegt. Und das durchaus mit gewisser Berechtigung - und durchaus auch kompatibel mit wunderbar fetter Sau. Aber sehen Sie selbst.

So ein knuspriges Ei ist nicht unbedingt neu, aber man muss ja nicht unbedingt nach dem Prinzip der permanenten Revolution vorspeisen, um schön zu essen: auf Spinat, mit einer Cheddar-Fonduta und knuspriger Pancetta. Ein feiner Start, fand die Wunderbare.

Foto: Harald Fidler

Wenn mich jetzt nicht alles täuscht, waren das die Agnolotti mit Karden, slow-food-förderkreislich gekrümmten Disteln, wenn man so will. Die Wunderbare erinnert sich nur noch, dass sie schwer begeistert war. Aber das ist ja schon einiges.

Foto: Harald Fidler

Höchste Zeit für innere Werte: Ravioli mit Finanziera - dem piemontesische Ragout von fetten Hahnenkämmen und anderen, auch nicht leichten Teilen vom Federvieh, die manchen als nicht so edel erscheinen. Sehr mollig, sehr gut.

Foto: Harald Fidler

Herrlich fett auch die Jungsau: Ferkel mit Butter-Erdäpfeln und Schalotten. Eine Freude - auch weil die Wunderbare mit Perspektive auf's Dessert schon ein bisschen schwächelt. Meins!

Foto: Harald Fidler

Noch einmal weniger edle Teile für den Fidler: Quinto Quarto, das fünfte Viertel vom Rind quasi. Hier mit paniertem Rückenmark, mit ordentlich Hirn, mit – nach meinem Befund – einer Art Lampredotto und – Überraschung – kalten Kutteln. Klingt da und dort gewöhnungsbedürftig und definitiv nicht leichtgerichtig. Ich kann's nur – schon wieder! – cremigst empfehlen.

Und was trinkt man zu Quinto Quarto? Selbstverständlich Grignolino aus dem Monferato*, schnellt es aus dem Herrn Ober zurück, als hätt ich gefragt, welchem Wesen die Kutteln entnommen wurden oder ob man tatsächlich mit Messer und Gabel isst. Gut, bei mir ist das nicht immer so selbstverständlich.

(*keine Ahnung, warum hier in Monferato zunächst zwei T standen, vermutlich zuviel Grignolino, Anm.)

Foto: Harald Fidler

Für die Panna Cotta übernimmt das Loben wieder die Wunderbare - mit Marmeladen von Haselnuss, Barbaresco und Chinotto, erinnert sie sich und lächelt versonnen.

Wird wieder Zeit für Turin, scheint mir. Gibt ja noch ein paar Aufgaben im einen oder anderen Beislführer. (Harald Fidler, derStandard.at, 24.2.2015)

Zweimal drei Gänge, Wasser, Wein Kaffee: 65 Euro.

Foto: Harald Fidler