Ihre Ernennung wird in sozialen Medien mit einiger Süffisanz kommentiert, wobei diese sich aber nicht gegen Thikra Alush persönlich richtet, die am Sonntag ihre Geschäfte als Bagdads Bürgermeisterin aufnahm: Der Job sei wohl für einen Mann zu gefährlich, heißt es etwa. Oder: Premierminister Haidar al-Abadi habe sie erwählt, um an US-Waffen zu kommen. Denn die Bestellung einer Frau zur Bürgermeisterin einer der kompliziertesten Städte der Welt sorgt für Aufsehen – und für Lob besonders aus dem Westen.

Viel Biografisches weiß man nicht über Thikra Alush, deren Familienname auch als Alwash vorkommt, mit dem Zusatznamen al-Abayachi (osmanisch für Abaya-Macher). Höflich schweigen sich die Meldungen über ihr Alter aus, ein Foto zeigt eine eher junge Frau in geschäftsmäßiger islamischer Kleidung über ein Schriftstück gebeugt. Sie kommt aus einer angesehenen schiitischen Familie, die ursprünglich aus Hilla stammt, und ist promovierte Bauingenieurin. Bisher war sie Generaldirektorin im Ministerium für höhere Studien.

Lob von vielen Seiten

Eine Frau und eine Schiitin, zumal an der Spitze der ehemaligen Madinat al-Salam (Stadt des Friedens) der abbasidischen Kalifen, im Range eines Kabinettministers, das ist schon etwas. Damit ist sie die erste Frau einer Hauptstadt in der Arabischen Liga. Früher war ja der Irak Avantgarde in diesen Belangen – in den 1940er-Jahren gab es die erste Richterin –, aber das ist ferne Vergangenheit.

Einstweilen ist Alush nur vom Premier ernannt, theoretisch sollte sie noch vom Stadtrat gewählt werden. Aber das dürfte kein Problem sein, denn sie wird tatsächlich über alle politischen Grenzen hinweg gepriesen. Bei Projektvergaben war sie weder korrupt, noch legte sie konfessionelle oder andere außer fachlichen Kriterien an, heißt es.

Unter ihrem Vorgänger soll das anders gewesen sein. Die freundlichste Bezeichnung für den nun von Abadi geschassten Naim Abub ist "Clown". Er hatte die von Gewalt geprägte, dysfunktionale irakische Hauptstadt als "schöner als New York und Dubai" bezeichnet, als in einem Lebensqualität-Ranking 2014 Bagdad am weltschlechtesten gereiht wurde.

Da wurden prompt Vergleiche mit Wien – in demselben Ranking auf Platz eins – gezogen. Dort gebe es doch einen in Bagdad geborenen Stadtplanungsrat namens Omar Al-Rawi: Den Abub schicken wir nach Wien, und dafür nehmen wir den Al-Rawi zurück, wurde gescherzt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 23.2.2015)