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Das Haus der Geschichte müsse "mehr sein als eine Dauerausstellung, es muss auch ein Ort der Forschung und des Aufbaus einer eigenen Sammlung sein", sagt Historiker Gräser.

Illustration: Friesenbichler, Klausner; Fotos: Votava, Picturedesk.com

Ein Konzept liegt seit längerem unter Verschluss, ein neues wird bis Sommer erarbeitet: Beim Haus der Geschichte, das Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) 2018 eröffnen will, ist allerdings ein wesentlicher Punkt noch offen. Es braucht "zusätzlich Geld" dafür, wie der Minister im Gespräch mit dem "Kurier" einräumen musste. Fest steht hingegen bisher: Inhaltlich soll sich das neue Haus mit der Geschichte Österreichs ab 1848, vor allem aber mit Zeitgeschichte beschäftigen. Auch der Standort Hofburg ist fix. Aber ist dieser eine gute Wahl?

Nein, sagen zwei Ausstellungskuratoren. Für Hannes Sulzenbacher, er ist Projektleiter der neuen österreichischen Ausstellung im ehemaligen KZ Auschwitz, wird so schon zu Beginn eine Chance verschenkt: "Natürlich ist es sinnvoll, wenn sich ein Land an einer Stelle über seine eigene Geschichte verständigt. Schade, dass man diesen Ort nun in ein altes imperiales Gebäude steckt, statt bereits mit der Auswahl des Hauses zu signalisieren, dass hier unsere Gegenwart und Zukunft verhandelt werden sollen." Auch Museologin Roswitha Muttenthaler hält den Standort "für nicht besonders geeignet". Muttenthaler: "Man könnte sagen, ein repräsentativer Standort wertet das Anliegen auf. Doch braucht es kein neues Museum im Sinne eines dem 19. Jahrhundert verpflichteten Repräsentationsortes, sondern eines im Sinne eines dem 21. Jahrhundert gemäßen Forums."

Bedürfnis nach Darstellung der Geschichte

Es gebe ein "Bedürfnis beim Publikum nach einer Darstellung der Geschichte des eigenen Landes", ist sich Marcus Gräser, Vorstand des Instituts für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Linz, sicher: "Warum also nicht?"

Die Sinnhaftigkeit eines Hauses der Geschichte stellt auch Muttenthaler nicht infrage: "Wenn es nicht einem überholten Repräsentationsgestus folgt, sondern sich als aktivierender Erfahrungsort versteht, und wenn es nicht ein belehrendes Ausstellungsbuch ist."

Wie kann eine Schau über Österreichs Historie spannend gestaltet werden? Braucht es ähnliche Konzepte wie in US-Museen? Sulzenbacher hält davon wenig: "Der Trend zur Erlebnisausstellung ist auch in Europa weitverbreitet und bedeutet nichts anderes, als dass ich das Ausstellungspublikum für zu blöd halte, einen Inhalt auch ohne kräftige Emotionalisierung angemessen zu verstehen und zu verarbeiten."

Nicht ganz so negativ sieht das die Museologin, die den Unterschied der Konzeptionen damit erklärt, dass "dem Publikum ein anderer Stellenwert gegeben wird. Hierzulande ,gehören‘ die Museen den Institutionen, anderswo gehören sie der Öffentlichkeit."

"Stark mit Pathos"

In US-Museen gehe man von einem "sehr heterogenen Publikum aus, was ethnischen Hintergrund und Bildungserfahrungen betrifft", sagt Gräser. Dort werde "stark mit Pathos und Angeboten zur schnellen Identifikation gearbeitet – dem gegenüber sollte man das Ideal einer wissenschaftlichen Nüchternheit stärken".

Also benötigt man doch eine andere Form der Vermittlung. Es brauche eine "Konzeption und Gestaltung, die nicht dem linearen Modus des Mediums Buch folgt", erklärt Muttenthaler. Nicht Fotos oder Dokumente seien das Problem, "sondern wie mit ihnen verfahren wird". Gelinge es, die Relevanz für die Gegenwart bei den behandelten Themen aufzuzeigen, seien historische Ausstellungen spannend, sagt Sulzenbacher: "Man muss akzeptieren, dass nicht das, was wir von der Vergangenheit wissen, sondern das, was von ihr materiell übrig ist, die Erzählung strukturiert. Das fällt vielen Historikern schwer, da sie es genau andersrum gelernt haben." Historiker Gräser zeigt gleich auf, welche Mammutaufgabe ansteht. "Neben der Politik müssen daher auch Demografie und Gesellschaft, Wirtschaft, Religion, Kunst und Kultur gleichberechtigte Achsen in der Darstellung werden." Das Haus der Geschichte müsse "mehr sein als eine Dauerausstellung, es muss auch ein Ort der Forschung und des Aufbaus einer eigenen Sammlung sein".

Dass sich das alles bis 2018 umsetzen lässt, scheint schwierig. "Eine konventionelle Geschichtspräsentation wird sich schon ausgehen", sagt Muttenthaler. Historiker Gräser hält das Ziel für realistisch, warnt aber: "Es darf jetzt nichts mehr zerredet werden. Dafür ist die österreichische Geschichte zu wichtig." (Peter Mayr, DER STANDARD, 23.2.2015)