Die Steuerdebatte und die Eu-weite Auseinandersetzung um die Alimentierung Griechenlands haben eine auch in den Medien spürbare Rückkehr der klassischen Ideologien in die öffentliche Diskussion forciert. Ausgelöst wurde dieses unverkennbare Hauen und Stechen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise. Wie bewältigen wir die Krise am besten? Wie verteilen wir das knappe Geld? Welche Rolle spielt dabei der Staat? Die Schere zwischen Arm und Reich ist zum Dauerthema des täglichen Lebens geworden.

Deshalb tun sich die beiden Koalitionsparteien besonders schwer - vor allem in den großen Städten, wo das Bildungsniveau höher ist, die kulturellen Unterschiede krasser sind und die politische Gemengelage unüberschaubarer. Besonders stark trifft das die Volkspartei, weil ihr altes Rückgrat, die katholische Kirche, auf dem Rückzug ist.

Noch dazu hat die ÖVP den Fehler begangen, mit dem wertkonservativen und politisch nicht sehr begabten Michael Spindelegger an der Spitze eine falsche Pistenpflege betrieben zu haben. Reinhold Mitterlehner, ein gescheiter Darsteller, ist auch ideologisch anders gelagert.

Rotes Tuch Vermögenssteuer

Der Konservatismus (heute noch am stärksten bei den britischen Tories) äußerte sich in der ÖVP am massivsten in ihrer Gegnerschaft zur Gesamtschule. Die sei egalitär und schwäche Autoritäten. Die Menschen seien ungleich, aber von Gott, von der Tradition und von der Vorsehung gelenkt. Das war gelebtes VP-Programm. Unter Mitterlehner hat sich das geändert. Er ist natürlich konservativ, aber unter dem Aspekt des Wirtschaftsliberalismus. Die "Reichensteuer" ist deshalb auch für ihn ein rotes Tuch, und in der griechischen Frage verdienen Reformen nur dann diese Überschrift, wenn sie die CDU-Handschrift tragen. Tsipras-Reformen (z. B. höherer Mindestlohn, kostenlose Arztbesuche für Bedürftige, Rücknahme von Privatisierungen) sind für ihn "alte Rezepte". In der aktuellen Diskussion hat all das mehr Strahlkraft als die Positionen des Vorgängers.

Um vor allem sozial zu punkten, hatte sich Bundeskanzler Werner Faymann mit guten Argumenten auf die Vermögenssteuer versteift - eines der ideologischen Instrumente des demokratischen Sozialismus.

Schwenk sorgt für Irritationen

Nun aber ein Schwenk mit erheblichen innerparteilichen Irritationen. Michael Häupls Verzicht auf eine "Vermögenssubstanzsteuer" ist eine Konzession an Mitterlehner, eine Teilentmachtung Faymanns und letztlich eine Spaltung der SPÖ. Denn ihr Steuerkonzept war das des ÖGB. Jetzt wurde es verwässert. Man kann sagen: versenkt. Zum Ärger der Gewerkschafter.

Diese Grundkonstellation, hier Wirtschaftsliberalismus (auch: Neoliberalismus), dort demokratisch orientierter Sozialismus, prägt in ähnlicher Weise die Konflikte in der sogenannten Eurogruppe. Diese Konfrontationen haben theoretische Grundierungen, für die auch Namen stehen - für den Wirtschaftsliberalismus der Österreicher Friedrich August Hayek und der Amerikaner Milton Friedman. Für das Konzept des lockeren Geldes stehen der Brite John Maynard Keynes und Joseph E. Stiglitz. (GERFRIED SPERL, DER STANDARD, 23.2.2015)