Stockholm – Eine empörte Dame schlägt mit der Handtasche einen Neonazi: Das Foto, aufgenommen 1985 bei einer Demonstration in Växjö, gilt in Schweden als Symbol für Zivilcourage. Zu Ehren der beherzten Frau sollte auf dem Marktplatz der südschwedischen Stadt in diesem Frühjahr eine Bronzestatue errichtet werden. Doch daraus wird nun wohl nichts: Das Motiv sei allzu bedrohlich, befand das Stadtparlament.
Andersdenkenden gehöre "mit Worten statt mit Gewalt" begegnet, gab die Vorsitzende des Kulturausschusses, Eva Johansson, im schwedischen Rundfunk zu bedenken. Das Werk der Künstlerin Susanna Arwin – eine die Handtasche schwingende Frau, ohne zugehörigen Neonazi – könne ohne Kenntnis des historischen Hintergrunds "völlig falsch interpretiert" werden.
Verständnis für Ängste
Angesichts islamistischer Anschläge in jüngster Zeit habe sie Verständnis für die Ängste der Politiker, räumt Susanna Arwin ein: "Es hat so viel Gewalt gegeben, bei 'Charlie Hebdo' und in Kopenhagen." Mit dem Verzicht auf mögliche Provokationen vertue das kleine Växjö dennoch eine große Chance, sagt die Künstlerin.
Das Denkmal für jene Frau, deren Zorn auf eine gewalttätige Ideologie sich aus der eigenen familiären Vergangenheit mit Angehörigen im Konzentrationslager Auschwitz speiste, habe das Potenzial zu internationaler Berühmtheit – ähnlich dem von Carl Fredrik Reuterswärd geschaffenen verknoteten Revolver, der weltweit als Anti-Gewalt-Symbol gilt.
Kurz vor der für Mittwoch anberaumten endgültigen Entscheidung des Stadtparlaments hat jetzt allerdings auch der Fotograf Hans Runesson Einspruch eingelegt: Er habe einer Nachbildung seines berühmten Bildes nur als "Gesamtkunstwerk", mit Neonazi und Fahne, zugestimmt, wurde Runesson am Freitag in "Dagens Nyheter" zitiert – er habe ihrem Plastikentwurf sehr wohl grünes Licht gegeben, entgegnet Susanna Arwin.
Interesse an Bronzedame
Inmitten der Debatte fliegen der bronzenen Dame Sympathien aus Växjö und ganz Schweden zu. Tausende sind einem Aufruf gefolgt und haben bereits im Internet zu ihren Gunsten unterschrieben; mehrere Städte und Privatpersonen bekunden Interesse, sie bei sich aufzunehmen. Auch bereits ganz ordentlich aufgestellte Statuen von Damen – und Herren – hat man bei den Sympathieaktionen nicht vergessen. Immer mehr von ihnen können sich über ein neues, modisches Accessoire freuen: eine Handtasche. (Anne Rentzsch aus Stockholm, DER STANDARD, 23.2.2015)