Burgenländischer Wegweiser: Rechterhand geht es zu Millionärs- und Erbschaftssteuer. Linkerhand wird die Erhöhung von Massensteuern gestoppt.

Robert Newald

STANDARD: Ende Mai startet im Burgenland das Superwahljahr. Die Steuerreform ist dabei die zentrale Glaubwürdigkeitsprüfung für die SPÖ. Wie ist das jetzt mit der Vermögenssteuer?

Niessl: Wenn Millionäre sich in Österreich innerhalb von anderthalb Jahren von 80.000 auf 85.000 vermehrt haben, muss man sich schon Gedanken machen, wie jene mit breiten Schultern einen größeren Beitrag leisten. Jeder Arbeitnehmer, der mehr verdient, kommt sofort in die Progression und zahlt mehr Steuern.

Standard: Reicht es Ihnen, nur den Vermögenszuwachs zu besteuern?

Niessl: Das ist die Frage, die am Ende zu entscheiden sein wird. Das hat Michael Häupl ja andiskutiert. Man muss sich überlegen, inwieweit gehe ich in die Substanz mit einem niedrigen Steuersatz. Wir reden da von 0,5 Prozent. Oder man nimmt den Vermögenszuwachs und macht einen etwas höheren Steuersatz.

STANDARD: Wie die Kapitalertragssteuer? Die ist ja eine Vermögenszuwachssteuer.

Niessl: Keine Erhöhung der KESt.! Die Leute arbeiten hart, sie sparen, wollen sich was leisten, wollen investieren. Den Mittelstand über die KESt. höher zu besteuern, das darf nicht sein. Das ist eine Massensteuer, und ich bin gegen eine Erhöhung von Massensteuern.

STANDARD: Erbschaftssteuer?

Niessl: Ja. Ich bin für eine Erbschaftssteuer nach deutschem Modell. Vererbte Betriebe zahlen erst nach einer Übergangszeit von fünf Jahren die Steuer vom jeweiligen Gewinn, das wird individuell bewertet. Und ich bin auch für eine Zweckbindung: das Geld aus der Erbschaftssteuer soll eins zu eins für die Bildung verwendet werden.

STANDARD: Das Burgenland wählt zwar erst im Mai. Der Wahlkampf hat aber längst schon begonnen.

Niessl: Ja, alle haben schon auf Wahlkampfmodus geschaltet. Der Proporz ist weg. Das ist eine besondere Situation, die es im Burgenland so noch nicht gegeben hat. Und dann gibt es noch die Entwicklung in Wiener Neustadt. Dort haben Grün und Blau einen schwarzen Bürgermeister gewählt. Man ist doch immer davon ausgegangen, dass die Grünen mit den Blauen nichts machen werden. In Wiener Neustadt war der Sündenfall der Grünen. Das fürchte ich auch im Burgenland.

STANDARD: Sie warnen vor Bunt, bereiten aber selber Rot-Blau vor?

Niessl: Was in Wiener Neustadt, der heimlichen Hauptstadt des Burgenlandes, passiert ist, kann auch im Burgenland passieren. Wer garantiert, dass Blau und Grün nicht einen schwarzen Landeshauptmann wählen?

STANDARD: Und deshalb Rot-Blau?

Niessl: Wenn wir sagen würden, wir reden mit einer Partei nicht, ist die Gefahr, dass Grün-Blau-Schwarz kommt, deutlich größer.

STANDARD: Und um das klarzumachen: Besetzt die SPÖ offensiv thematisches Terrain der FPÖ?

Niessl: Das hat mit der FPÖ nichts zu tun, sondern mit dem Empfinden der Menschen. Darauf einzugehen, das ist pragmatische Regierungspolitik. So ist – Anführungszeichen – "meine" SPÖ Burgenland. Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst. Wer das nicht tut, wird in der SPÖ Burgenland nicht erfolgreich sein. Wir haben ja beinharte Vorwahlsysteme. Den Leuten ist die Integration, das Asylwesen, die Sicherheit ein ganz großes Anliegen. Und als Landeshauptmann das nicht aufzugreifen und Lösungen vorzuschlagen – dort, wo wir verantwortlich sind, auch umzusetzen –, das wäre doch sehr schlecht. Da interessiert mich weder der Applaus der FPÖ noch die Kritik der SJ.

STANDARD: Die Jungen haben Sie und Ihren steirischen Kollegen Franz Voves ziemlich harsch kritisiert. Die Wortmeldung bezüglich Zuwanderung und Intergrationsunwillen seien rechte Rülpser.

Niessl: Man muss vorsichtig sein, wenn man sagt: die Jungen. Im Burgenland war das nur die SJ in Mattersburg. Und man muss schon auch die Relationen sehen. Was sind 95 Prozent der SPÖ, was sind fünf Prozent? Ich war jetzt bei einer großen Pensionistenversammlung, habe das den Menschen erklärt. Und es hat einhellige Zustimmung gegeben. Unlängst habe ich mit EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz gesprochen. Er hat klipp und klar gesagt, dass es unverantwortlich ist, wenn junge Leute den Kosovo verlassen. Die müssen doch ihr Land aufbauen! Da bin ich in guter, europäischer Gesellschaft. Und ich bin auch für eine Beschleunigung der Asylverfahren, damit die, denen falsche Hoffnungen gemacht wurden, rasch zurückgeschickt werden können.

STANDARD: Sie sind in dieser Frage auf der Seite der Innenministerin?

Niessl: Die Innenministern ist gefordert, dass die Rückführung all jener, die kein Asyl bekommen, rascher erfolgt. Jetzt ist es der Kosovo, dann die Ukraine oder andere Länder. Ich vermisse auch klare Vorgaben von der EU. Und was ich ganz besonders vermisse, ist die Anerkenntnis, dass die Schengengrenze eine europäische Grenze sein muss. Schengen muss eine EU-Grenze sein, überwacht von einer EU-Behörde. Denn an der Schengengrenze ist die Korruption ja so groß, dass man für 100 Euro in vielen Bereichen diese Grenze passieren kann.

STANDARD: Im Fall des Kosovo beträfe die Korruption Ungarn?

Niessl: Es geht mir nicht um die ungarische Grenze. Dort gibt es auch Gemeinden, die riesige Probleme haben. Es muss an der gesamten Schengengrenze die Korruption abgeschafft werden, weil das eben in der ganzen EU zu Problemen führt. Dort müssen auch die Asylverfahren durchgeführt werden. Kriegsflüchtlinge sind kein Thema, die sollen zu uns kommen. Die Wirtschaftsflüchtlinge sind aber dorthin zu bringen, wo sie hergekommen sind.

STANDARD: Und die Integrationsunwilligen, die schon hier sind?

Niessl: Im Pflichtschulbereich brauchen wir einen Mechanismus, wenn sich jemand nicht an die Pflichten hält: Schulpsychologen, Sozialarbeiter, Dialog mit den Eltern. Aber am Ende muss es Sanktionen geben. Für alle. Nicht nur für die mit Migrationshintergrund. Wo es keine Konsequenzen gibt, sind die Gesetze zahnlos. (DER STANDARD, 23.2.2015)