Wien/St. Pölten - Die mehrheitlich private Westbahn fordert vom Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) für neue Strecken öffentliche Ausschreibungen statt direkte Vergaben an die ÖBB. Das Verwaltungsgericht Wien hat am Mittwoch den Vergabeprozess mangels Transparenz gestoppt. "Gegen eine neuerliche Direktvergabe würden wir wieder Einspruch einlegen", sagte Westbahn-Chef Erich Forster am Freitag in einer Pressekonferenz.

Es geht darum, dass ab dem nächsten Fahrplanwechsel im Dezember 2015 alle Fernverkehrszüge der ÖBB nicht mehr zum Westbahnhof, sondern zum Hauptbahnhof fahren. Damit fahren ab dann deutlich weniger Züge von St. Pölten über Hütteldorf zum Wiener Westbahnhof. Um die Lücke zu schließen, hatte der VOR vor, bei der ÖBB zusätzliche Zugverbindungen zu bestellen. Es geht um 3 bis 4 Mio. Euro jährlich für rund 400.000 Zugkilometer, das sind laut Forster stündliche Verbindungen zwischen St. Pölten und Wien-West. Teil der geplanten Direktvergabe waren auch weitere 300.000 Zugkilometer auf 22 weiteren Strecken im VOR-Netz. Die Westbahn beeinspruchte die gesamte Direktvergabe wegen der Strecke Wien-West und St. Pölten und hat vor dem Verwaltungsgericht Wien gewonnen. Der VOR erklärte gegenüber der APA, den Fall nicht zum Höchstgericht, dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH), bringen zu wollen.

Neues Gesamtkonzept

Als Lösung fordert Forster nun, dass zumindest die InterCity-Züge der ÖBB vorerst nicht den Hauptbahnhof, sondern auch noch 2016 den Westbahnhof ansteuern. Damit gäbe es genug Zeit für ein neues Gesamtkonzept ab Ende 2017 und eine öffentliche Ausschreibung - "einfach aus Fairplay, wenn dann die ÖBB gewinnen, ist das okay", so Forster. In Deutschland seien seit 1996 an die 18 Ausschreibungen erfolgt, bei denen auch die Deutsche Bahn zum Zug gekommen sei. Die ÖBB müssten sich ebenfalls dem Wettbewerb stellen.

Die vom VOR bestellten Mehrleistungen würden aus Sicht der Westbahn eine massive Ausweitung des Angebots zwischen Wien und St. Pölten bedeuten. "Mir ist ein nicht subventionierter InterCity am Westbahnhof lieber als zusätzliche subventionierte Regionalzüge", so Forster. Hintergrund ist, dass ÖBB und Westbahn ihre Fernverkehrszüge auf eigene Rechnung betreiben, der Pendlerverkehr hingegen wird subventioniert.

Verschwendung von Steuergeld

Die Westbahn sieht eine Verschwendung von Steuergeld - auf fünf Jahre gerechnet geschätzte 15 Mio. Euro. Der Grund: Die Strecke Wien-Westbahnhof über den Bahnhof Tullnerfeld nach St. Pölten sei durch die Fernzüge von ÖBB und Westbahn bisher auf eigene Rechnung gefahren worden, nachdem alle ÖBB-Fernzüge zum Hauptbahnhof verlegt werden sollen, sollen neue ÖBB-Züge auf der selben Strecke nicht mehr "eigenwirtschaftlich", sondern "gemeinwirtschaftlich" betrieben werden. Foster bezweifelt, dass es Subventionen braucht, wenn man jene Fahrgäste berücksichtigt, die künftig in St. Pölten auf Fernzüge umsteigen.

Während der VOR die mangelnde Transparenz mit einem Fristenproblem begründet, sieht die Westbahn eher ein Planungsproblem. Dafür sei aber weniger der VOR verantwortlich, sondern das Verkehrsministerium und dessen "Tochter", die ÖBB, so Forster. In der Gerichtsverhandlung habe sich offenbart, dass der Bund nicht früher planen könne, weil er von den Fernverkehrsbestellungen der ÖBB Personenverkehrs AG abhängig sei. "In Wirklichkeit ist damit jener, der den Auftrag empfangen soll, de facto der, der bestimmt, was passiert", sagte Forster.

Der Konflikt zwischen Westbahn und VOR hat am Freitag auch eine Reaktion des ÖBB-Betriebsrates hervorgerufen. Betriebsratschef Roman Hebenstreit fragt in einem offenen Brief den Westbahn-Gesellschafter, die französische Staatsbahn SNCF, wie die Forderungen der Westbahn mit der SNCF-Bahnpolitik in Frankreich zusammenpassen. Frankreichs Staatsbahn lehnt laut Hebenstreit im eigenen Land Ausschreibung von Schienenpersonenverkehrsleistungen strikt ab. Westbahn-Chef Forster konterte: "Der Brief geht an die falsche Adresse", Hebenstreit müsse an die französische Politik schreiben.

Hinter der Ende 2011 gestarteten Westbahn stehen neben SNCF der Industrielle Hans Peter Haselsteiner und Erhard Grossnigg. Die Haselsteiner Familien-Privatstiftung hält 46,9 Prozent, Grossniggs Augusta Holding 25,1 Prozent und die SNCF 28 Prozent. Die Westbahn hat bisher nur Verluste geschrieben, laut Grossnigg wird es auch 2015 keinen Gewinn geben. (APA, 20.2.2015)