Kommen wir aber nun zu etwas ganz anderem. Nämlich der Frage, was man über Thermoskannen Großartiges sagen kann. Schließlich sind Produkt, Funktion und Erwartungshaltung bekannt und eingeführt:

Sie soll warm oder kalt halten.

Sie soll dicht sein.

Sie soll robust sein.

Sie soll transportabel sein.

Noch was?

Bei mir sieht es thermoskannentechnisch so aus: Irgendwo stehen ein paar herum - aber ich greife immer zu genau dem gleichen Teil. Ohne dem Griff einen Gedanken zu widmen: Die Kanne erfüllt ihren Zweck (siehe oben). Und aus. Meine Stamm-Flasche ist eine uralte Halbliterkanne von Mammut. Das Ding war ein Event-Giveaway. Vermutlich ein No-Name-Produkt mit Werbe-Aufdruck: Auf der Mammut-Homepage finde ich die Flasche jedenfalls nicht.

Die Kanne schaut aus, als hätte ich mit ihr Scheiben eingeschlagen. Oder auf sie geschossen. Aber sie funktioniert. (Siehe oben.) Und hat mich überall hin begleitet: Vom Schreibtisch ins Schnee-Notbiwak in Norwegen. Von der Alten Donau auf Skitour nach Marokko.

Foto: Thomas Rottenberg

Unlängst überreichte mir ein PR-Mann dann eine andere Flasche: Grün, riesig und aus Edelstahl. "Hammerschlag-Beschichtung" hieße das, sagte der PR-Mann - aber ich hörte nicht mehr zu. Denn ich hatte die Lösung eines Rätsels in Händen, das mir bis dato nie als Rätsel bewusst geworden war: Die "Stanley Classic 1.4 Quart" hatte ich schon 1000 mal gesehen. In Filmen. In Comics.

Meistens steckte sie irgendwo in der Jausen-Tasche eines braven US-Arbeiters, der am Weg ins Stahl- oder Bergwerk war - und dabei entweder von Bruce Springsteen besungen wurde, viel lieber Tänzer hätte werden wollen oder sonstwie vom Schicksal gestraft war. Oder Homer Simpson hieß. So ähnlich halt.

Immer grün

In der grünen Monsterthermos war, in meiner Bild-Erinnerung, immer Kaffee. In der Regel stand sie - nach Eintreffen in Bergwerk oder Fabrik, am Tisch der einfachen, ehrlichen Schichthackler. Manchmal neben einem Lagerfeuer. Oder neben dem Zelt. Oder dem Hocker, auf dem der brave amerikanische Angler saß, bevor irgendwas Böses aus dem Hinterhalt … Aber wichtiger war: Die Kanne war grün. Immer. Jetzt - im Nachhinein - war mir klar, dass ich mich immer schon gefragt hatte, wieso Thermoskannen in der US-Bildsprache immer grün waren. In Europa war mir bis dahin noch keine grüne Thermoskanne unter gekommen.

Foto: THomas Rottenberg

Natürlich ist das in Wirklichkeit wurscht (es gibt Stanley-Flaschen auch in Navyblau). Nicht wurscht ist, dass die Kanne ein Hammer ist. In jeder Hinsicht: Das doppelwandige Spezialedelstahldings hält Tee (Kaffee in der Thermoskanne geht gar nicht!) tatsächlich fast 24 Stunden heiß (im Gegensatz zu "lauwarm"). Sie ist nicht einfach dicht, sondern sogar "schwappsicher". Und unkaputtbar: Laut Hersteller hat man 25 Jahre Garantie auf den "Rolls Royce unter den Thermoskannen".

Außerdem wurde sie gemacht, um "vom Vater an den Sohn weiter gegeben zu werden". Ich nehme zur Kenntnis: Die amerikanische Frau hat keinen Anspruch auf warme Getränke abseits von Gastronomiebetrieben oder der eigenen Küche. Ein Nicht-Anspruch der von der Mutter an die Tochter weiter gegeben wird.

Nägel und Heringe einschlagen

Doch auch im Wortsinn ist die Stanley-Classic ein Hammer: Sie ist so robust, dass man sie - vermutlich - wirklich zum Einschlagen von Nägeln verwenden kann. Oder zur Selbstverteidigung: Das Ding hat einen Henkel. Der ist zwar aus Plastik und würde beim Nägel- und Visageneinschlagen vielleicht irgendwann brechen oder abreissen - aber für einen kurzen Faustkampf oder ein paar Zelt-Heringe sollte es reichen. Außerdem sind Henkel und Griffe sowieso mega-praktisch. Sagen die Amis.

Ich aber sage: Der Henkel geht gar nicht Nicht, wenn man unter "Draußen sein" was Anderes versteht, als "Mit dem Geländewagen bis zum Zeltplatz oder zur Jagdhütte fahren und dann keinen Schritt mehr gehen." Weil: Versuchen Sie mal eine dermaßen große Kanne mit Henkel (egal, ob seitlich wegklappbar oder nicht) in einen Rucksack zu kriegen. Oder wieder raus: Genauso gut könnten Sie versuchen, da einen bauchigen Krug einzupacken. Außerdem ist die Flasche für jede Form des Nichtmotorisiert-Transportiertwerdens schlicht zu groß und zu schwer.

Trotzdem: Sollte ich je in einem Bruce Springsteen Video mitspielen, neben Doug Hefenen im UPS-Truck Pakete in halb New York ausliefern oder mit Homer Simpson ins Atomkraftwerk gehen: Die Pflichtausrüstung des amerikanischen Working-Class-Heroes besitze ich. Zum Wandern oder auf den Berg werde ich aber weiter meine verbeulte Mammut-Flasche nehmen. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 22.2.2015)

Foto: THomas Rottenberg