Ulrike Böker, Bürgermeisterin von Ottensheim, hat vor drei Jahren ihre Wohnfläche reduziert und sieht nun statt der Donau den Friedhof ihrer Gemeinde in Oberösterreich. Franziska Zoidl hat sie besucht.

"Dieses Haus ist fast ein Familienhaus: Meine Tochter wohnt in der Wohnung gegenüber, einer meiner Söhne wohnt unter mir. Es war mir schon immer sympathisch. Ich wohne zur Miete, besitze aber ein Haus nicht weit von hier an der Donau. Meine älteste Tochter und ich haben vor drei Jahren einen Tausch gemacht. Ich brauche dieses Riesenhaus in meiner derzeitigen Lebenssituation nicht, weil ich hauptsächlich im öffentlichen Raum unterwegs bin. Ich bin schweren Herzens von dort weggegangen, aber es war eindeutig der richtige Schritt.

Ausblick in alle Richtungen: Vom Esstisch aus beobachtet Ulrike Böker die Vögel auf dem Balkon. Durch das Fenster im Hintergrund sieht sie den Friedhof. (Bildansicht durch Klick vergrößern)
Foto: Kurt Hörbst

Mein Haus ist mir nicht ein einziges Mal abgegangen. In den wenigen Stunden, die nur mir gehören, gehe ich rauf in meine Wohnung unter dem Dach, mache die Tür zu und bin in meinem kleinen Reich, bestehend aus Schlafzimmer, Badezimmer, einer offenen Küche mit Essraum und einer Galerie. Klein, aber fein. Ich brauche nicht mehr. Während der Woche lebe ich allein, am Wochenende ist mein Freund hier. Ich schaffe es, dass meine gesamte Familie - vier Kinder und sechs Enkelkinder - hier regelmäßig gemeinsam frühstückt. Da wird der Tisch ausgezogen, und notfalls kommt der Balkontisch auch noch herein. Ich denke auch in der Gemeinde viel über flächensparendes Bauen und maßvolles Verdichten nach. Mir ist es wichtig, dass man sich überlegt, wie viel Raum man wirklich braucht. Reduktion und Verzicht gehören zu meiner Lebensphilosophie.

Bei der Einrichtung achte ich darauf, was man wiederverwenden kann, und mische Alt mit Neu: Alle Möbel sind aus meinem Haus. Diese Couch ist 30 Jahre alt, und sie hat genau hereingepasst. Die Kredenz ist aus dem Keller eines Ottensheimers. Dann habe ich noch ein paar Möbel vom Sperrmüll: Sessel, die ich neu beziehen habe lassen, und ein Tischerl. Der Holztisch im Zentrum ist ein ganz wichtiger Ort: In der Früh, bevor ich mich in die Öffentlichkeit stürze, schaue ich den Vögeln im Vogelhaus auf dem Balkon zu. Wohnen muss nicht großartig ästhetisch oder durchdesignt sein, aber Gemütlichkeit ausstrahlen. Es müssen keine hochpreisigen Dinge sein, obwohl mir die natürlich auch gefallen. Viele meiner Habseligkeiten liegen derzeit in Schachteln bei meiner Schwester - so ist das, wenn man von einem Haus in eine kleine Wohnung zieht. Vieles konnte ich nicht wegschmeißen, von manchem habe ich mich befreien können.

Eigentlich habe ich mein ganzes Leben lang in einem kleinen Radius rund um den Marktplatz gewohnt. Für eine Weile war ich in Deutschland, aber Ottensheim hat mich immer wieder angezogen. Ich liebe die Donau: Sie schwemmt das Alte fort und bringt Neues. So bleibt man nie stehen. Ich finde, die Vorteile überwiegen, wenn man so wie ich nahe am Arbeitsort, dem Gemeindeamt, lebt. Ich könnte nicht Bürgermeisterin sein, wenn ich die Leute nicht gern treffen würde.

Was ich nicht missen will: den Ausblick. Vom Fenster hinter mir aus sehe ich den Friedhof. Für mich passt das irrsinnig gut, weil man seine eigene Endlichkeit sieht. Meine Eltern liegen dort und andere Menschen, die ich sehr gut kannte. Ich fühle mich wohl mit der Aussicht. Man hat das Leben im Blick und den Tod.

Vielleicht ziehe ich irgendwann wieder zurück in mein Haus an der Donau und starte ein Mehrgenerationenprojekt. Ich werde ja älter, und dieses Haus hat keinen Lift. Irgendwann möchte ich schon barrierefrei wohnen. Mir ist es wichtig, mit Menschen, die mir am Herz liegen, zusammenzuwohnen und gleichzeitig einen Rückzugsort zu haben. Aber als Politikerin kann ich ja nicht immer selbst darauf Einfluss nehmen, wie sich mein Leben entwickelt." (DER STANDARD, 21.2.2015)