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Michael Häupl: "Mein Versuch, das Thema Wahltermin humorvoll abzuhandeln, ist schiefgegangen."

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STANDARD: Warum wollen Sie die Wahlrechtsreform blockieren?

Häupl: Ich habe keine Blockade angekündigt, das ist Unfug. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass das Angebot, das wir den Grünen gemacht haben, nicht angenommen wurde. Aber warum die SPÖ gegen ihre Meinung für ein Verhältniswahlrecht stimmen soll, bleibt mir verborgen.

STANDARD: Wieso wollen Sie einen möglichen Mehrheitsbeschluss von Grünen, ÖVP und FPÖ im Landtag mit allen Mitteln verhindern?

Häupl: Was heißt mit allen Mitteln verhindern? Die SPÖ wird immer das Gleiche tun und einem Antrag, der dem Notariatsakt entspricht, nicht zustimmen. Warum sollen wir plötzlich diesem Notariatsakt zustimmen? Ich habe keinen unterschrieben.

STANDARD: Weil es einen Mehrheitsbeschluss im Landtag gibt?

Häupl: Also besser mit den Massen zu irren, als gegen sie recht zu behalten? Das wird meine Meinung nicht ändern.

STANDARD: Halten Sie es nicht für bedenklich, eine Mehrheitsmeinung im Landtag als Minderheit blockieren zu können, weil die SPÖ im Ausschuss die absolute Mehrheit hat?

Häupl: Überhaupt nicht. Die SPÖ war immer für einen Kompromiss, trat aber immer gegen diesen Null-Faktor auf. Jetzt sollen wir für ein Verhältniswahlrecht stimmen? Die Bundes-ÖVP ist übrigens auch für ein Mehrheitswahlrecht.

STANDARD: Wird also eine Mehrheit im Landtag von der SPÖ als Minderheit blockiert?

Häupl: Die Zusammensetzung der Ausschüsse stellt sich laut bestehendem Wahlrecht so dar, wie sie eben ist. Diese Zusammensetzung ist seinerzeit von den anderen Parteien mitgetragen worden.

STANDARD: Die SPÖ hat die Reduzierung des mehrheitsfördernden Faktors von 1 auf 0,75 in Aussicht gestellt, die Grünen auf 0,6. Was war Ihr letztes Angebot?

Häupl: Wir sind bis 0,66 gegangen - und 0,5 ab der Wahl 2020. Das war den Grünen zu wenig.

STANDARD: Mit Ihrem Angebot hätte die SPÖ auf Basis von 2010 zwei Mandate verloren. Ist das richtig?

Häupl: Das ist richtig.

STANDARD: Die Grünen wollen aber ein derartiges Angebot nie von Ihnen bekommen haben. Lügen sie?

Häupl: So starke Worte gebrauche ich nicht. Das Problem ist ein internes Kommunikationsproblem, das die Grünen haben.

STANDARD: Wann wird in Wien gewählt? Sagen Sie es jetzt schon?

Häupl: Mein Versuch, das Thema humorvoll abzuhandeln, ist schiefgegangen. Also im Ernst: Ich möchte das mit meinen Parteifreunden und mit den Grünen nächste Woche besprechen.

STANDARD: Wir werden es bei der SP-Klubtagung in Rust erfahren?

Häupl: Abzuwarten ist auch, wie die Gespräche über die Steuerreform verlaufen. Was passiert auf Bundesebene in dem für mich äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass die Verhandlungen scheitern?

STANDARD: Können Sie das nächste Woche abschätzen?

Häupl: Ja. Eigentlich kann ich es jetzt schon abschätzen. Ich bin überzeugt, dass wir zwischen SPÖ und ÖVP zu einem Abschluss kommen. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig.

STANDARD: Hat man sich schon auf wesentliche Punkte geeinigt?

Häupl: Wenn man genau hinhört, sprechen alle von "keine Vermögenssubstanzbesteuerung". Das ist ein Wegweiser, der zeigt, wohin es gehen kann.

STANDARD: Also Vermögenszuwachssteuern?

Häupl: Das ist dann Verhandlungssache. Vermögenssubstanzbesteuerung ist ja sowieso so eine Sache. Für Betriebe gab es sie schon und wurde seinerzeit zu Recht abgeschafft. Ganz unter uns gesagt: Wir haben bei den Betrieben ja eher das Problem, dass die Kapitaldecken zu dünn sind, als dass sie zu dick wären. Daher diskutieren wir alle miteinander eh schon in die richtige Richtung. Es wird noch mühselig werden, klar. Der Teufel liegt bekanntlich im Detail.

STANDARD: Wie ist Ihre Bilanz der rot-grünen Koalition?

Häupl: Die Arbeit mit den Grünen war über weiteste Strecken positiv. Wir haben 95 Prozent dessen, was wir uns vorgenommen hatten, abgearbeitet.

STANDARD: Spricht also nichts dagegen, Rot-Grün fortzusetzen?

Häupl: Das ist damit überhaupt nicht gesagt. Ich arbeite mit meinen Freunden hart daran, dass die SPÖ wieder allein regieren kann.

STANDARD: Die Absolute bleibt das Wahlziel trotz der Umfragewerte?

Häupl: Was denn sonst?

STANDARD: Sie sind auch Realist.

Häupl: Wenn es sich nicht ausgeht, sollte man eine Koalition eingehen. Aber das werde ich nicht vor der Wahl diskutieren.

STANDARD: Bundeskanzler Werner Faymann ist mit viel Kritik konfrontiert. Ist er geschwächt?

Häupl: Nein, ich sehe ihn in keiner Weise geschwächt. Er macht seinen Job sehr gut, und es ist okay.

STANDARD: "Okay" klingt nicht sehr euphorisch.

Häupl: Er macht einen guten Job und hat meine volle Unterstützung. Das mag für manche nüchtern klingen, aber so bin ich halt.

STANDARD: Beim Opernball haben Sie Logenbesuch von Christian Kern bekommen. Ist er Ihnen von Franz Voves empfohlen worden?

Häupl: Nein, ich kenne ihn ewig lang, seit seiner Studentenzeit. Ich habe immer gut mit ihm zusammengearbeitet. Man hat persönlichen Kontakt aufgrund zahlreicher Infrastrukturprojekte.

STANDARD: Hat er auch politisches Talent?

Häupl: In Wirklichkeit braucht man nur Hausverstand und eine gewisse emotionale Intelligenz. Das hat er natürlich beides.

STANDARD: Der Rechnungshof übt scharfe Kritik an der Schuldenentwicklung der Stadt. Wien würde die ausgelagerten Schulden in Firmen intransparent darstellen. Wieso die Verschleierung?

Häupl: Es gibt keine Verschleierung. Jeder, der den Rechnungsabschluss liest, kann darin alles über die Verschuldung der Stadt finden. Was die Schuldenentwicklung betrifft, so dürfte keinem entgangen sein, dass wir seit 2008 in einer Krise leben. Bei einer Milliarde weniger Einnahmen braucht man Fremdmittelaufnahmen, um das Loch aufzufüllen, um das Investitionsniveau aufrechtzuerhalten.

STANDARD: Der Rechnungshof kritisiert die Schuldenverdreifachung seit 2008, Wien wird die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze bald durchbrechen. Dazu kommen die Frankenkredite. Beängstigt Sie das?

Häupl: Wir zahlen die Franken dann zurück, wenn der Kurs interessant ist. Auch der Bund und andere Bundesländer haben Frankenkredite. Das ist Vorwahlkampftheater.

STANDARD: Durch Firmenbeteiligungen kommen rund sechs Milliarden Schulden dazu. Wieso werden sie nicht transparent ausgewiesen?

Häupl: Das ist der nächste Unsinn. Alle ausgelagerten Betriebe haben Bilanzen zu legen und Schulden auszuweisen.

STANDARD: Wieso spricht die Stadt von fast fünf Milliarden Euro Schulden - und nicht von insgesamt rund elf Milliarden?

Häupl: Weil es ausgelagerte Betriebe sind. Die müssen das einzeln ausweisen. Das Kernproblem ist ein anderes: Es gibt beim Krankenanstaltenverbund einen Investitionsstau von acht Milliarden Euro. Das kostet etwa die Umsetzung des Krankenhauskonzepts.

STANDARD: Es gibt aber den Stabilitätspakt, der ab 2016 ein gesamtstaatliches Nulldefizit vorsieht.

Häupl: Ja, aber es wird auch damit zusammenhängen, wie der Finanzausgleich ausgeht. Gibt es keine Einigung beim Finanzausgleichsgesetz, gibt es auch keinen Stabilitätspakt mehr. (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 20.2.2015)