"Ich habe genug politisches Betätigungsfeld im Nationalrat", sagt Beatrix Karl dazu, dass sie den Einzug ins EU-Parlament verpasst hat.

Foto: Standard/Fischer

"In den Massenfächern haben wir das Problem, dass sehr viel Zeit für die Lehre draufgeht", sagt die ehemalige Wissenschaftsministerin. Sie spricht sich für Zugangsregeln aus.

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Die derzeitigen arbeitsrechtlichen Regelungen erschweren jungen Wissenschaftlern eine Karriere, sagt ÖVP-Abgeordnete Beatrix Karl, die seit Jänner Präsidentin des Vereins der Alumni der Stipendienprogramme der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist. "Es ist nicht zulässig mehrere befristete Verträge aneinanderzureihen. Entweder scheitert daran die Universitätskarriere, oder man muss sich mit seltsamen Konstrukten herumschwindeln", sagt sie im Interview mit derStandard.at. Sie schlägt vor, die Regelung bei befristeten Arbeitsverträgen zu lockern.

derStandard.at: Sie waren erst Wissenschaftsministerin, dann Justizministerin, jetzt sind Sie Abgeordnete. Gibt es etwas, das Ihnen aus der Zeit in der Regierung fehlt?

Karl: Es war eine sehr intensive und spannende Zeit. Ich habe es mit großer Freude gemacht, aber jetzt habe ich neue Aufgaben. Ich bin wieder an die Universität zurückgegangen. Wenn man in die Wissenschaft zurückwill, darf man nicht zu lange pausieren.

derStandard.at: Sie haben für das EU-Parlament kandidiert. Ein Einzug ist sich nicht ausgegangen. Wären Sie gerne von Ihrer Partei weiter vorne gereiht worden?

Karl: Ich wäre gerne in das EU-Parlament eingezogen, weil mich als Professorin für Europarecht die Europäische Union sehr interessiert. Aber es ist so, wie es ist. Ich habe dafür ein breites politisches Betätigungsfeld im Nationalrat.

derStandard.at: Sie wollen sich künftig um Jungwissenschaftler kümmern. Nur fünf Prozent der Nachwuchswissenschaftler bekommen eine Professorenstelle. Wie soll das System durchlässiger werden?

Karl: Natürlich ist dafür die Nachwuchsförderung wichtig. Bei dieser Durchlässigkeit spielt auch die ÖAW mit ihren Stipendienprogrammen eine große Rolle. Ich komme aus der Rechtswissenschaft, einem Massenstudium. Dank meines Stipendiums hatte ich die Möglichkeit, eine dreijährige Auszeit von der Alltagsarbeit an der Universität zu nehmen und mich zu habilitieren. Ich weiß nicht, ob ich die Habilitation geschafft hätte, wenn ich an der Uni geblieben wäre. In den Massenfächern kommen viele Assistenten während der Lehre nicht ausreichend zum Forschen, weil sie nur mehr Klausuren korrigieren.

derStandard.at: Das Stipendiensystem gibt es schon lange. Trotzdem ist das System an den Unis noch sehr hierarchisch.

Karl: Gerade für Frauen ist es oft sehr schwierig, sich in diesem hierarchischen System durchzusetzen. Mittlerweile gibt es viele weibliche Studierende und auch Assistentinnen. Aber auf der Professorenebene spiegelt sich das noch nicht überall wider. Ich habe erlebt, dass Frauen sich oft für administrative Tätigkeiten einteilen lassen. Sie organisieren Kongresse, arbeiten den Professoren zu. Die männlichen Assistenten ziehen ihre Forschung durch. Wir wollen mit unserem Verein auch verstärkt junge Wissenschaftlerinnen und natürlich auch Wissenschaftler auf die bereits bestehenden Stipendienprogramme aufmerksam machen.

derStandard.at: Derzeit haben Jungwissenschaftler oft Kettenverträge. Sie haben sich schon als Wissenschaftsministerin für neue Modelle eingesetzt. Die gibt es immer noch nicht. Wo hakt es?

Karl: Diese Kettenverträge sind wirklich ein häufiges Problem. Es ist nicht zulässig, mehrere befristete Verträge aneinanderzureihen. Entweder scheitert daran die Universitätskarriere, oder man muss sich mit seltsamen Konstrukten herumschwindeln. So sollte es nicht sein. Man müsste durch entsprechende Änderungen des Arbeitsrechts dafür sorgen, dass die Karriere für Jungwissenschaftler erleichtert wird.

derStandard.at: Wie stellen Sie sich diese Änderungen vor?

Karl: Entweder man lockert die Regelung betreffend die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen, oder es werden mehr unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Letztere kann man, wenn es nicht passen sollte, kündigen.

derStandard.at: Das passiert aber selten.

Karl: Richtig. Es gibt an den Universitäten keine Kündigungskultur und deshalb wenige unbefristete Verträge. Über die Problematik der Kettenverträge wollen wir die Stipendiaten als Verein auch informieren.

derStandard.at: Die asiatischen Universitäten ziehen den europäischen in den internationalen Rankings davon. Wie kann man gegensteuern, wenn die Politik nicht bereit ist, mehr Geld zu investieren?

Karl: Mehr Geld ist natürlich immer wichtig. Es wäre absurd, wenn ich sagen würde, dass es darauf nicht ankommt. Es bedarf aber auch einer entsprechenden Nachwuchsförderung. Nur wenn wirklich gute Leute an unseren Universitäten arbeiten, können wir mithalten.

derStandard.at: Ein Unterschied zu ausländischen Universitäten ist, dass bei uns die Wissenschaftler sehr viel Zeit mit der Lehre verbringen. Soll man das ändern?

Karl: Ich lehne es ab, Lehre und Forschung zu trennen. In Österreich haben wir die forschungsgeleitete Lehre. Die Wissenschaftler forschen und haben dadurch eine gute Basis für ihre Lehre. Das macht es auch für die Studierenden spannender. In den Massenfächern haben wir allerdings das Problem, dass sehr viel Zeit für die Lehre aufgewendet wird. Es macht einen Unterschied, ob ich mehrere hundert Studierende zu betreuen habe oder zehn bis 50.

derStandard.at: Was wäre die Lösung? Mehr Zugangsbeschränkungen?

Karl: Ich bin für Zugangsregeln, weil wir dort, wo wir sie haben, positive Effekte sehen. An den medizinischen Universitäten hatten wir vor den Zugangsregeln sehr hohe Drop-out-Raten, heute haben wir die Situation, dass die Studierenden, die ein Studium beginnen, es auch abschließen. Auch die Qualität der Lehre ist bei weniger Studierenden besser.

derStandard.at: Die Gefahr bei den Zugangsregelungen ist, dass man Studierende abschreckt, deren Eltern nicht Uni-affin sind.

Karl: Das glaube ich nicht. Ich komme selbst aus einem Elternhaus, das nicht Uni-affin ist, und ich hätte mich sicher nicht durch Zugangsbeschränkungen abhalten lassen.

derStandard.at: Die gab es damals auch noch nicht.

Karl: Aber wieso hätte mich das abhalten sollen? Ich ziehe ein Studium nur durch, wenn ich das unbedingt will. Dann gehe ich aber auch zum Aufnahmeverfahren.

derStandard.at: Die steirischen ÖVP-Abgeordneten waren oft jene, die sich nicht gescheut haben, die Bundespartei zu kritisieren. Wie kommt Parteichef Reinhold Mitterlehner an?

Karl: Ich bin sehr zufrieden mit unserem Parteichef. Er findet nicht immer einfache Bedingungen vor, aber er leistet sehr, sehr gute Arbeit

derStandard.at: Wie wird die ÖVP bei der steirischen Landtagswahl nach den vielen Protesten, etwa gegen die Gemeindezusammenlegungen, abschneiden?

Karl: Die Reformpartnerschaft hat in der Steiermark sehr gute Arbeit geleistet. Natürlich stehen die Gemeindezusammenlegungen im Vordergrund, man muss aber auch sehen, was sonst passiert ist. Reformen, die andernorts nur diskutiert werden, wurden einfach umgesetzt. Das war nicht immer einfach, aber auch die Gemeindezusammenlegungen werden großteils positiv aufgenommen. Wenn Sie sich die Umfragen ansehen, hat die Reformpartnerschaft in der Steiermark eine sehr breite Unterstützung.

derStandard.at: Bei der Nationalratswahl sind SPÖ und ÖVP in der Steiermark abgestraft worden.

Karl: Das war die Nationalratswahl, das muss man differenzieren. Ich mache mir keine Sorgen um die steirische ÖVP. Die Bürgerinnen und Bürger wissen die Arbeit, die geleistet worden ist, zu schätzen.

derStandard.at: Würden Sie sich wünschen, dass Hermann Schützenhöfer wieder als Spitzenkandidat antritt?

Karl: Das ist seine Entscheidung. Ich schätze ihn und seine Arbeit sehr. Wenn er sich entscheidet weiterzumachen, ist mir das sehr willkommen. (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 19.2.2015)