Andreas Müller (links) und Andreas Graf, hier bei einem Sechstagerennen in Zürich, sind regierende Europameister im Madison, wie das Mannschaftsfahren für Zweierteams offiziell heißt.

Paris/Wien - Frankreich besteht natürlich nicht nur aus Übersee-Départements, deshalb steigt die WM im Bahnradfahren in Saint-Quentin-en-Yvelines in der Nähe von Paris. Die Europameisterschaft im Vorjahr wurde auf Guadeloupe abgehalten, der Flair war speziell, Saint-Quentin ist aber auch nicht zu verachten. Dort haben die Franzosen ein feines Radsportzentrum hingestellt, mit toller Bahn, mit Hotels, mit allem Drum und Dran.

Andreas Graf (29) und Andreas Müller (35) sind Österreichs Beitrag zu diesen Titelkämpfen, der Beitrag ist klein, aber hoffnungsvoll. Die "Andis" nehmen etliche Bewerbe in Angriff, am Donnerstag das sogenannte Scratch über 15 Kilometer, am Freitag das Punktefahren und am Sonntag das Madison über 50 Kilometer. Müller war solo schon WM-Zweiter (2013) und WM-Dritter (2008) im Scratch, im Madison sind Graf/ Müller - seit Guadeloupe - regierender Europameister. Auch eine WM-Medaille ist ihnen zuzutrauen, 2013 waren sie als Vierte ziemlich knapp dran.

Die schlechte Nachricht ist, dass Rio de Janeiro 2016 wie schon Peking 2008 und London 2012 ohne österreichische Bahnradfahrer auskommen wird. Vor London wurde das Programm reduziert, die Disziplinen der Österreicher sind nicht oder nicht mehr olympisch. Teilweise gingen sie im Omnium auf, einem Mehrkampf, der sechs Sparten umfasst: Scratch, Einerverfolgung, Ausscheidungsfahren, Zeitfahren, 250-m-Sprint, Punktefahren. Kleine Verbände wie der österreichische (ÖRV) bekritteln, dass ihre Chancen auf Olympiateilnahmen drastisch sanken. "Mit Spezialisten hatten wir ab und zu Chancen auf Olympia", sagt ÖRV-Generalsekretär Rudolf Massak. "Aber Omnium-Fahrer sind, wie Zehnkämpfer, Ausnahmeerscheinungen, die findest du in einem kleinen Land viel seltener als in einem großen. So brechen dem olympischen Bahnradsport die kleinen Nationen weg."

Alternativen zum Omnium gibt es kaum. Eine wäre der Sprint, hier hat Österreich kaum Tradition, der in Deutschland trainierende Steirer Julian Rechberger ist allein auf weiter Flur. Mannschaftsverfolgung? Erst recht kein Thema. Massak: "Um für Olympia ein chancenreiches Quartett aufzubauen, bräuchte man acht Fahrer, die sich voll darauf konzentrieren. Das ist in Österreich nicht finanzierbar."

Wenn es im Radsport Geld gibt, so liegt es eher auf der Straße denn auf der Bahn. Schon Amateure können in Straßenrennen einiges verdienen und sich hervortun, auf dass sie später vielleicht bei einem Profiteam unterkommen. Die Straße ermöglicht zudem die Chance auf eine Olympiateilnahme - Massak geht davon aus, dass drei österreichische Straßenfahrer in Rio 2016 dabei sind.

Das Dusika-Stadion in Wien ist in mehrfacher Hinsicht problematisch - sein Namensgeber Ferry Dusika war NSDAP-Mitglied und SA-Mann, hetzte antisemitisch in seiner Radsportzeitung und übernahm das Fahrradgeschäft des Juden Adolf Blum. 2014 sollte das Stadion einen neuen Namen bekommen, mag sein, dass es 2015 so weit ist. Die Trainingsmöglichkeiten werden dieselben bleiben, der ÖRV zahlt einen gestützten Mietpreis, der ihm dennoch wehtut. Das 1977 eröffnete Oval fasst mehr als 7000 Zuseher, das macht den Betrieb unnötig teuer.

Es gibt hierzulande einige Talente, jene im Osten weichen des Öfteren nach Brünn, jene im Westen ins deutsche Augsburg und nach Grenchen (Schweiz) aus. Von den Herren Graf und Müller, die um WM-Medaillen fahren, sind die Talente freilich genausoweit weg wie die Herren Graf und Müller von Olympia. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 19.2.2015)