Ein Marktstand in Prishtina mit einem Sackerl mit "großalbanischer Fahne", die beim Fußballspiel im Oktober in Belgrad auftauchte.

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Tirana/Belgrad/Sarajevo - Trotz der jüngsten, wechselseitigen Ruppigkeiten zwischen Serbien und Albanien wird weiter an der Beziehung gebastelt. Es ist auch im Sinne des sogenannten Berlin-Prozesses, dass die Staaten in Südosteuropa stärker kooperieren. Im August müssen die Regierungschefs, wenn sie zur großen Balkan-Konferenz nach Wien kommen, zu der auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel anreisen wird, Kooperationsvorhaben vorlegen. Im Fall von Serbien und Albanien, die keine gemeinsa- me Grenze haben, sind das Bildungs- und Infrastrukturprojekte. Deutschland hat Wirtschaftsprojekte in Aussicht gestellt, wenn Konkretes auf dem Tisch liegt. Albanien gilt in der EU zurzeit als der Hoffnungsträger auf dem Balkan.

Nach dem Fußballspiel vom 14. Oktober, das wegen Ausschreitungen abgebrochen wurde, haben sich die Emotionen einigermaßen beruhigt. Das albanische Nationalteam (mit einigen Spielern aus dem Kosovo) hatte in Belgrad gegen Serbien gespielt. Nachdem tausende serbische Fans 40 Minuten lang "Töte, schlachte, damit es den Albaner auf dem Erdball nicht mehr gibt!" gebrüllt hatten, tauchte eine von einem Unbekannten per Drohne gesteuerte Fahne auf, die die Umrisse eines fiktiven Großalbanien zeigte. Ein serbischer Spieler holte die Fahne vom Himmel, albanische Spieler rissen sie ihm weg. Serbische Fans stürmten das Spielfeld und prügelten auf die albanischen Fußballer ein. Diese versuchten sich zu wehren, die serbischen Spieler halfen ihnen dabei.

Drohnen als Verkaufsschlager

Das Büro des serbischen Premiers Aleksandar Vucic ließ daraufhin verlauten, dass die Fahne vom Bruder des albanischen Premiers Edi Rama, Olsi Rama, gesteuert worden sei. Eine reine Erfindung, die sogar von internationalen Medien verbreitet wurde.

Heute sind von dem Zwischenspiel ein paar Reminiszenzen übrig geblieben. Die Drohnen sind ein Verkaufsschlager. Wer einen Quadrocopter besitzt, ist heute in Südosteuropa, ähnlich wie Leute, die einen Mercedes ihr Eigen nennen, ziemlich cool. Die großalbanische Fahne wird auf T-Shirts oder Kaffeehäferln abgebildet.

Symbolfiguren auf der Fahne

Auf der Flagge waren neben den Umrissen eines "Großalbanien", das auch den Kosovo sowie Teile Mazedoniens und Serbiens umfasst, "Autochthonous" zu lesen. Neben der Fahne waren der Freiheitskämpfer Isa Boletini und Ismail Qemali, der als die Symbolfigur des unabhängigen Albanien gilt, abgebildet. Man findet die Fahnen vor allem in Andenkenläden, etwa in Prishtina am Markt, aber auch im albanischen Shkodra.

In Albanien gibt es keine parlamentarischen Kräfte, die Großalbanien unterstützen würden. Im Kosovo und in Mazedonien hat die Idee aber gerade in sozialen Medien Anhänger. Zwischen Albanien und Jugoslawien gab es zwischen 1948 und 1968 praktisch keine Beziehungen, weil die albanische kommunistische Partei völlig mit Tito brach und sich an die Sowjetunion anlehnte. Dabei ging es um differierende wirtschaftspolitische Interessen. (awö, DER STANDARD, 19.2.2015)