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Er ist fesch, jung, sportlich, hat den Doktor in Allgemeinmedizin, den schwarzen Gürtel in TCM und "chinesische Kräuter" stets zur Hand: Mein Hausarzt ordiniert nun Mittwoch um 21.20 Uhr bei ATV. Das hat gute Seiten, weniger gute, und ein paar dazwischen.

Das Beste zuerst, es kam noch gar nicht zur Sprache: Der Arzt (Holger Ferstel) hat Zeit. Er hat Zeit, zwei Patienten pro Folge daheim zu besuchen. Schlafzimmer von lungenschädlichem Flauschteppich, Vorhang und Wäscheständern zu befreien. Naschladen in Zuckerwürfel zu übersetzen. "Nässende" Lebensmittel aus Eiskästen zu bannen und Kren, der "das Chi der Lunge zerstreut". Mit Verwandten und Gefährten die Kindheit zu besprechen und Laster ("Beim Rauchen hört die Liebe auf. Entweder sie hört auf, oder du suchst dir eine neue Frau"). Er hat Zeit, Patienten sanft vom Bankdrücken zu Qigong (Haltungstipp: "Zitrone im Hintern") zu bewegen, zu innigem Umarmen stämmiger Föhren für "innere Bindung mit dem Baum".

Der Fernseharzt ordiniert eben nicht auf Krankenschein. Realitätsfern, aber vielleicht gut: Nimmt sich der Fernseharzt so viel Zeit, könnten seine Tipps interessiert Leidende vor dem Schirm motivieren, etwas zu tun, statt nur zu schlucken.

Wenn der Zuschauer, die Zuschauerin es nicht beim Schauen belässt und sich am Leiden weidet. Und etwa an der Sexbeschreibung einer Übergewichtigen mit schwerem Herzfehler - wie ein "Lamborghini in der 30er-Zone". Das Weiden ist eine der weniger guten Seiten.

Und dazwischen? Kann das Publikum abwägen, ob Zeit und kompetente Zuwendung nicht auch ohne stete Chinabeigaben heilsame Kräuter sind. (Harald Fidler, DER STANDARD, 19.2.2015)