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Erst die reale Begegnung im Museum lässt Kunstwerke ihre Wirkung auf den Betrachter entfalten.

Foto: APA/EPA/DANIEL REINHARDT

Wien - Wenn man Kunst wirklich auf sich wirken lassen will, dann sollte man sich nicht mit Bildschirmabbildungen begnügen: Kunstwerke, die man im Museum betrachtet, werden als gefälliger und interessanter eingeschätzt und auch länger betrachtet als die gleichen Objekte am Bildschirm. Das haben Wiener Psychologen in zwei Studien gezeigt. Außerdem erinnerten sich Menschen, die Kunstwerke zuerst in einer Ausstellung gesehen hatten, an fast doppelt so viele Bilder.

Die Wissenschafter um David Brieber von der "Cognitive Science Research Platform" der Universität Wien bildeten drei Studentengruppen, die sich Kunstwerke in unterschiedlichen Umgebungen und Abfolgen ansahen. Die erste Gruppe sah die Bilder einer Ausstellung im Wiener Museum auf Abruf (MUSA) zwei Mal im Labor, die zweite Gruppe betrachtete die gleichen Bilder zuerst im Museum und dann im Labor und die dritte in umgekehrter Reihenfolge.

Eine Woche nach der ersten Sichtung - am Bildschirm oder im Museum - wurden die Testpersonen befragt, woran sie sich noch erinnern konnten. Danach sahen sie die Bilder erneut im jeweils anderen Kontext und wurden erneut befragt.

Länger in Erinnerung

Unabhängig davon, wo die Werke zuerst betrachtet wurden, schätzten die Teilnehmer die Museums-Bilder durchgehend "als emotional positiver, als anregender, als gefälliger und interessanter ein", sagte Brieber. Die Personen, die zuerst im Museum waren, konnten sich zusätzlich an ungefähr doppelt so viele Werke erinnern. "Wir haben also eine viel stärkere und bessere Verankerung im Gedächtnis, wenn sie die Bilder im Museum wahrnehmen und erleben, als wenn die Teilnehmer sie einfach nur am Bildschirm sehen'", so Brieber.

Hier zeige sich abermals, dass das Umfeld, in das ein Erlebnis eingebettet ist - die Forscher sprechen vom Kontext -, die Gedächtnisleistung entscheidend beeinflusst. "Wir konnten zeigen, dass die Leute mental nochmals durch die Museumsräumlichkeiten durchgingen. Die Verankerung der Bilder im Raum hat ihnen geholfen, sich besser zu erinnern", erklärte Brieber. Personen, die die Bilder nur am Bildschirm sahen, konnten auf diesen räumlichen Kontext nicht zurückgreifen und sich entsprechend schlechter erinnern, berichten die Forscher im Fachblatt "Acta Psychologica".

Erstmals wissenschaftlich belegt

Dass ein Kunstwerk im Museum besser wirkt, ist laut dem Forscher nicht unbedingt überraschend. Gefällt ein Bild am Bildschirm nicht, werde es zwar im Museum nicht plötzlich als großartig eingestuft - trotzdem wirke dort "alles ein wenig besser". Dass dem so ist, sei vorher noch nie in dieser Form wissenschaftlich belegt worden. Es sei wichtig, über diese doch erheblichen Unterschiede Bescheid zu wissen, denn empirische Kunstforschung werde eben meist in Labors durchgeführt. Man müsse sich daher die Frage stellen: "Was entgeht einem da im Vergleich zum echten Museumserleben? "

In einer anderen Untersuchung hat die Gruppe mit einem ähnlichen Versuchsaufbau die Betrachtungszeiten und Blickbewegungen der Versuchspersonen beim Betrachten von Kunstwerken gemessen. Auch in der in der Fachzeitschrift "Plos one" publizierten Studie ergab sich dasselbe Bild. "Es hat sich zusätzlich gezeigt, dass die Leute im Museum mehr Zeit vor den Bildern verbringen als am Bildschirm", so der Forscher. Während im Labor die Mehrdeutigkeit eines Kunstwerks die Betrachtungszeit eher verkürzte, regte sie im Museum zur längeren Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk an.

Die Wissenschafter wollen nun den Gründen für den Unterschied zwischen realer und virtueller Kunstwelt nachgehen. Ob es an der "Aura" des Originals, der Größe der Bilder im Museum oder daran liegt, dass man die Werke in einem sozialen Kontext betrachtet, sei noch unklar. Brieber: "Höchstwahrscheinlich ist es eine Interaktion mehrerer Faktoren, die das erhöhte Kunsterlebnis im Museum ausmacht." (APA/red, derStandard.at, 23.2.2015)