Ist im Streit um eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland alles nur eine Frage der Wortwahl, warum die Regierung in Athen und die Partner der Eurogruppe nicht und nicht zu einer Einigung finden, wie der französische Finanzminister Michel Sapin bemerkte?

In der Sache, sagte er am Dienstag am Rande des Ministerrates in Brüssel zum Eklat in der Eurogruppe tags davor, seien Annäherungen zu erkennen: Athen akzeptiere, dass es nicht einfach aussteigen könne; die Partner verstünden, dass die Regierung unter Premier Alexis Tsipras die auferlegten Spar- und Reformmaßnahmen sozialer als ihre Vorgänger ausgestalten wolle. Man streite darüber, ob das Programm "verlängert" und modifiziert werden soll oder ob ein neues "Übergangsprogramm" vereinbart werde, was Athen will, erklärte Sapin.

Oder ist der Streit doch grundsätzlicher Natur, weil die meisten in der Eurogruppe "das Gefühl haben, dass die griechische Regierung nicht so recht weiß, was sie eigentlich will", wie der deutsche Vertreter Wolfgang Schäuble sagte? Sein griechischer Kollege Yiannis Varoufakis habe alle möglichen Erklärungen abgegeben. "Aber die entscheidende Frage bleibt: Will Griechenland das Programm oder nicht?", so Schäuble. Varoufakis müsse endlich einen Antrag stellen. Sonst könne man über die gewünschten Änderungen in den Auflagen der Geldgeber (neben Eurostaaten der Währungsfonds, IWF) nicht reden. Programm, Regeln und Bedingungen für die Auszahlung der Hilfsmilliarden seien an Beschlüsse des Deutschen Bundestages gebunden, jede Änderung müsse neu beschlossen werden, "am 28. Februar, Mitternacht, ist over", erklärte der deutsche Finanzminister.

So hatten es die Eurofinanzminister bei der ersten Verlängerung des Rettungsprogramms im Dezember tatsächlich beschlossen. Formell am Zug wäre demnach Athen, daran lassen Juristen in den EU-Institutionen und auch im IWF keinen Zweifel.

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte das am Abend davor nach dem Ende der in einem Eklat abgebrochenen Eurogruppensitzung bestätigt: Die Kontrolle der Einhaltung der Reformmaßnahmen durch die griechische Regierung sei "fällig, ja sogar überfällig". Nur wenn Griechenland eine Verlängerung beantrage, sei der IWF bereit, darüber zu verhandeln. Ein "neues Programm" würde Monate zur Erarbeitung brauchen.

Wolfgang Schäuble ist Jurist, sogar ein sehr guter, sagen Experten, einer, der vor 25 Jahren als Innenminister den Vertrag für die deutsche Wiedervereinigung ausgearbeitet hat. Yiannis Varoufakis ist Ökonom, ein sehr guter sogar, sagen seine Anhänger in den Linksparteien über den Universitätsprofessor aus Athen.

Ökonom gegen Juristen

Dies mag nicht alle Gründe erklären, warum auch im zweiten Anlauf der Eurogruppe vorläufig ein Stillstand eingetreten ist. Deren Chef Jeroen Dijsselbloem setzte eine neue Frist: Bis Freitag sollte Athen den Antrag stellen, dann werde es einen dritten Versuch geben - was prompt als "Ultimatum" aufgefasst wurde. Aber der Unterschied im Denken des Juristen Schäuble und des Ökonomen Varoufakis ist doch ein Hinweis darauf, worum es in dieser harten Auseinandersetzung in der Tiefe geht, bei der nicht weniger als ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone auf dem Spiel steht. Die neue Regierung aus radikal Linken und Rechtspopulisten würde die Lasten der Vergangenheit so weit wie möglich abwerfen, um ihre wirtschaftspolitischen Ziele umzusetzen. Varoufakis beruft sich dabei auf den Willen der Bürger bei der Wahl.

Die Geldgeber, also die Finanzminister, sind sich - unabhängig von ihrer politischen Position links oder rechts - darin einig, dass Verträge gelten müssen. Auch Sapin betonte, dass nur eine Verlängerung des laufenden Programms infrage komme. Erst dann sei über Erleichterungen zu verhandeln.

Wie es weitergeht, hängt nun von Athen ab. Varoufakis beharrt auf einem Abgehen vom Sparkurs, hält aber "eine Einigung in zwei Tagen für möglich". Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) glaubt, dass dieser demnächst einen Antrag auf Programmverlängerung stellen wird. Dann wird es wieder ein Sondertreffen der Eurogruppe geben, vielleicht am Freitag. Dann geht die Arbeit am Inhalt, an Veränderungen erst los. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 18.2.2015)