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Das bisher letzte Treffen zwischen Viktor Orbán (li.) und Wladimir Putin fand Mitte Jänner in der Nähe von Moskau statt.

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Nur für einige Stunden kommt der russische Präsident Wladimir Putin heute, Dienstag, nach Budapest. Doch sein Gastgeber, der nationalpopulistische ungarische Regierungschef Viktor Orbán, bietet ihm auch so die Bühne für einen raren diplomatischen Triumph. Erstmals seit der Annexion der Krim wird Putin seinen Fuß in ein Nato-Land setzen, erstmals seit dem Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs über dem prorussischen Separatistengebiet in der Ostukraine in ein EU-Land.

"Für die Russen hat der Besuch Putins in Budapest eine enorme symbolische Bedeutung", sagte der Historiker und Slawist Zoltán Sz. Bíró der Sonntagszeitung Vasárnapi Hírek. "Der russische Präsident ist sonst von der westlichen Welt völlig isoliert. Die Spitzenpolitiker machen - außer es geht um die Ukraine - einen großen Bogen um ihn."

"Höchst unangenehme Lage"

Orbán gehe dabei kein unerhebliches Risiko ein. Der Putin-Besuch sei zu einem Zeitpunkt angekündigt worden, als nicht abzusehen war, dass mit dem Minsker Vierergipfel von voriger Woche wieder ein Hoffnungsschimmer für eine Entspannung im Ukrainekrieg besteht. "Falls die Kämpfe (bis zum heutigen Dienstag) doch wieder aufflammen, würde dies die ungarische Regierung in eine höchst unangenehme Lage bringen", betonte Bíró.

Orbán fährt seit 2010 einen Kurs der Annäherung an Putins Russland. Mit der von ihm propagierten "Öffnung nach Osten" will sich der machtbewusste Regierungschef offenbar neue Freiräume schaffen. Nutznießer sind oft Oligarchen und Briefkastenfirmen, die der Familie Orbán und ihren Vertrauten nahestehen.

So baut die russische Rusatom zwei neue Reaktorblöcke im ungarischen AKW Paks. Finanziert wird das über einen russischen Zehn-Milliarden-Euro-Staatskredit. Für ungarische Subunternehmer werden Millionenverträge anfallen. Da die Details geheim bleiben, befürchten Anti-Korruptions-Aktivisten weit überzogene Preise und schmutzige Profite.

Thema Energiesicherheit

In der Öffentlichkeit stellt Orbán die Freundschaft zu Russland als wichtige Voraussetzung für billige Gaslieferungen dar. Putins Besuch habe eine "schicksalsentscheidende Bedeutung für die Energiesicherheit", sagte Außenminister Péter Szijjártó letzten Freitag. Dabei war bis Montagnachmittag noch nicht klar, ob Orbán und Putin heute, Dienstag, tatsächlich einen neuen Gasliefervertrag unterzeichnen werden.

Tatsächlich läuft der bisherige 20-Jahres-Vertrag heuer aus. Die Umstände jedoch haben sich mittlerweile geändert. Ungarn braucht heute weit weniger Gas, als man vor 20 Jahren vorausgesehen hatte - etwa neun Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Aus dem auslaufenden Vertrag sind noch mindestens 15 Milliarden Kubikmeter übrig geblieben, die Ungarn eigentlich bezahlen müsste. Aber auch das ist verhandelbar und dürfte in ein neues Abkommen einfließen.

Zugleich hat Ungarn über Pipelineanbindungen an den Westen - etwa den Knoten Baumgarten in Österreich - alternative Quellen, was dem Erpressungspotenzial des russischen Lieferanten Gasprom Grenzen setzt. Die Gaspreise sind praktisch zum Fallen verurteilt. "Orbán möchte aber das Verdienst sinkender Energiepreise für sich persönlich verbuchen", meint der Energieexperte András Deák vom ungarischen Institut für Weltwirtschaft. Der gemeinsame Auftritt mit Putin soll Orbán als unerschrockenen Bezwinger des Gas- und Strompreisdämons erscheinen lassen. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 17.2.2015)