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Gegen Barcelona zog Villarreal zwar zuletzt zweimal den Kürzeren. Besonders beim 2:3 in der 20. Runde der Primera Divisón wurden die Qualitäten der Mannschaft aber doch deutlich.

Foto: Reuters/Nacarino

Wien/Villarreal - Juan Román Riquelmes Blick ist nach innen gekehrt. Er drückt dem Ball einen schüchternen Kuss auf die Rundung, legt ihn auf den Elfmeterpunkt, läuft an - und schickt einen halbhoch-unpräzisen Angsthasenpenalty Richtung rechtes Eck. Tormann Jens Lehmann hat kaum Mühe bei seiner Parade in der 90. Minute. Der Villarreal CF ist im Halbfinale der Champions League mit 0:1 nach Hin- und Rückspiel am FC Arsenal gescheitert. Starres Entsetzen bricht sich im Stadion El Madrigal Bahn. Man schrieb den 26. April 2006. Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte war vermählt mit ebensoviel Schmerz.

Marcos Senna, Riquelme und Diego Forlán formten zu dieser Zeit die glanzvolle Achse im Team des familiär geführten Klubs aus der Kleinstadt nahe Valencia. Der gebürtige Brasilianer Senna, bester defensiver Mittelfeldspieler der EURO 2008, war für die Spieleröffnung zuständig. Riquelme, das melancholische Genie aus Argentinien, zog die Fäden - als Spielmacher alter Schule der letzte seiner Art. Forlán, nimmermüder uruguayischer Energetiker, sorgte für die blonden Momente in der Offensive. Herrlicher leuchtete es nie, das Gelbe Unterseeboot, aufgetaucht aus dem Nichts, die Großen anzubohren.

Juan Román Riquelme umweht ein Hauch von Tragik, nicht nur wegen der Elfmeter-Episode von Villarreal
Ruben Lago

Riquelmes Honeymoon mit der Provinz endete nur ein halbes Jahr nach seinem Fehlschuss im Zerwürfnis. Er verweigerte das Training, Coach Manuel Pellegrini schloss mit seinem schwierigen Prinzen ab: "Ich werde die Zukunft des Klubs nicht für ihn riskieren. Wenn jemand meint, über dem Team zu stehen, dann ist er draußen."

Ein Biotop für Exilanten

Riquelme hatte sich in Barcelona, von Louis van Gaal ignoriert, nicht durchsetzen können. Nach der Verpflichtung Ronaldinhos wurde der Sensible schließlich abgeschoben. In Villarreal blühte er auf. "Riquelme hat meine Laufwege vorhergesehen und Bälle gespielt, von denen jeder Stürmer träumt", so die Hommage Forláns anlässlich des Karriere-Endes seines ehemaligen Partners im Jänner 2015. Forlán, aus Manchester gekommen, gelangen gleich in seiner ersten Saison 25 Tore für die Gelben. Das sollte für gleich zwei Titel langen: den des spanischen und den des europäischen Schützenkönigs.

Von 2004 bis 2011, in acht Saisonen hintereinander, kam Villarreal in der Primera División nie schlechter als auf dem achten Platz zu stehen. Aus diesem Lauf ragt die Vizemeisterschaft 2008 ebenso heraus, wie das erwähnte CL-Halbfinale. Das Erreichen von Vorschlussrunden in der Europa League (2004, 2011) ist ebenfalls nicht zu verachten. Zweimal gewann El Submarino Amarillo, das die meiste Zeit seiner Existenz im Unterbau des spanischen Fußballsystems gefristet hatte, den UEFA Intertoto Cup (2003, 2004). Seit dem erstmaligen Aufstieg 1999 konnte man sich 14 Saisonen in La Liga halten, und das mehr als kompfortabel. Unterbrochen wurde die Erstklassigkeit durch zwei Abstiege (1999/00, 2012/13).

Der Beginn der Höhenflugs geht einher mit der Übernahme der Geschicke durch Fernando Roig Alfonso (67). Der milliardenschwere Unternehmer hatte sich 1997 um die eher bescheidene Summe von 360.000 Euro die Anteilsmehrheit gesichert. Er folgte damit einer gewissen Familientradition, war doch der ältere Bruder Präsident von Valencia gewesen, der jüngere werkelte als Chef bei den Basketballern von Parmesa. Roig, Besitzer einer Keramik-Manufaktur und Teilhaber einer großen Supermarktkette, unterstützte in der Folge die Errichtung einer Sportschule wie auch die Modernisierung von El Madrigal mit seinen etwa 25.000 Plätzen aus eigener Tasche. Sohn und Tochter fanden ebenfalls Beschäftigung im Verein.

Viel mehr als eine Blase

Pellegrini gelang es, das sportliche Aufsehen, das die Gelbhemden zu erregen begonnen hatten, auf Dauer zu stellen. Das entging dem Zentrum nicht, 2009 war der Ruf Real Madrids unüberhörbar geworden. Glück jedoch konnte er nicht verheißen. Der Chilene scheiterte in der Hauptstadt nicht zuletzt an der Ideologie des Stars. Nach nur einer Spielzeit wurde Pellegrini entlassen, ein neuer Punkterekord (96) konnte die an Barcelona (99) verlorene Meisterschaft nicht aufwiegen. Bitter beklagte der Trainer die Unmöglichkeit eines Teambuildings auf rationaler Grundlage.

Wie anders waren da doch die Zustände in Villarreal gewesen. Ohne Anmaßungen von außen war es dort möglich, ein vielseitig adaptierbares Spielsystem auf der Basis eines 4:2:2:2 zu etablieren. Es wurde auch unter Pellegrinis Nachfolgern beibehalten. Die Teams in Gelb standen für gepflegte Spielkultur. Der Italiener Giuseppe Rossi übernahm den Staffelstab Forláns und löste seinen Vorgänger am Ende gar als erfolgreichster Torschütze der bisherigen Klubhistorie ab.

Kaum jemand dürfte vorhergesehen haben, dass Villarreal im Mai 2012 plötzlich vor einem Scherbenhaufen stand. Platz 18 verdammte den Klub zum Abstieg, nachdem nur zwölf Monate davor noch ein vierter Rang zu Buche gestanden war. Der Katastrophen nicht genug, verstarb am Tag seiner Bestellung zum neuen Trainer Manolo Preciado an einem Herzinfarkt. Viele Spieler wanderten ab, darunter Rossi und dessen brasilianischer Sturmpartner Nilmar. Letzterer zog die fruchtbaren Felder Katars den Niederungen der Segunda División vor.

Umgehen mit dem Abstieg

Nicht nur ein sportlicher Neuaufbau musste nun bewältigt werden, auch die Finanzen des Klubs galt es neu zu ordnen. Das Budget wurde auf eine tragfähige Größenordnung redimensioniert, Schulden getilgt. "Wir haben die Uhr auf Null gestellt. Runtergehen kann nie als etwas Gutes betrachtet werden, in gewisser Hinsicht ist es aber doch positiv gewesen", bilanzierte Präsident Roig.

Er traf aber auch unorthodoxe Entscheidungen. Das Angebot der Regionalregierung, Mittel zuzuschießen lehnte er angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Land ab. Der Fußball müsse sich aus eigener Kraft finanzieren können. Saisonkartenbesitzer, die in der Krise ihren Job verloren, durften umsonst ins Stadion, die Ticketpreise wurden gesenkt. Man wolle das Stadion füllen, so Roig. Kaum etwas sei schließlich trauriger, als der Anblick leerer Ränge. Der Besucherschnitt im Madrigal bewegt sich um die 17.000, eine sehr respektable Kulisse für eine 50.000-Einwohner-Stadt. Doch der Präsident will mehr, 20.000 losgeschlagene Abos sind seine Zielmarke.

Coach Marcelino García Toral gelang mit der neuformierten Mannschaft der direkte Wiederaufstieg. Villarreal ist damit nach Recreativo Huelva und Real Saragossa bereits der dritte Klub, den der 49-Jährige in die Primera Division führte. Und über Platz sechs 2013/14 ging es auch gleich weiter nach Europa. Die der EL-Gruppe A beendete man recht souverän auf Platz zwei, ein Punkt fehlte auf Borussia Mönchengladbach.

Wer da?

Die großen Namen fehlen heute im - allerdings durchaus solide besetzen - Kader Villarreals. Giovani dos Santos, mit 25 bereits 85-facher mexikanischer Teamspieler, könnte als klangvollster genannt werden. Der Offensivmann kam nach der Weltmeisterschaft allerdings nur schwer wieder in die Gänge und hat in der laufenden Saison noch kein Tor erzielt. Mit dem Argentinier Luciano Vietto (21) und dem Spanier Gerard Moreno (22) drängen zwei junge Kräfte nach. Der Russe Denis Tscheryschew, ausgeliehen von Real Madrid, beeindruckt als Vorlagengeber. Und da ist natürlich auch noch Ikechukwu Uche. Der Treffsicherheit des routinierten 31-jährigen aus Nigeria war der rasche Wiederaufstieg nicht zuletzt geschuldet. Nach wie vor genießt er bei García Toral das größte Vertrauen.

Villarreal und Salzburg standen einander bereits 2009 in der Europa League gegenüber. Damals zerschellte das U-Boot an den Verteidigungsstellungen des Huub Stevens: beide Partien (2:0, 1:0) gingen an die Mannschaft aus Österreich, welche die Gruppenphase ohne Punkteverlust beendete. Der Außenverteidiger Andreas Ulmer, schon damals auf Bullen-Seite mit dabei, hat die Duelle "in guter Erinnerung". Im Sechzehntelfinale war dann übrigens für beide Schluss: Die Spanier scheiterten am VfL Wolfsburg, Salzburg an Standard Lüttich. (Michael Robausch, derStandard.at, 18.2. 2015)