Es kann immer noch alles dramatisch schiefgehen: Russlands Präsident Wladimir Putin ist imstande, die militärische Eskalation unter irgendeinem Vorwand wieder zu beginnen, wenn die Ukraine ihm endgültig zu entgleiten droht. So wie bisher.

Andere europäische Baustelle: Es kann auch immer noch zu einem unbeabsichtigten "Grexit" kommen. Die neue griechische Regierung kann sich bei ihrer Hasardpolitik gegenüber der EU verkalkulieren und damit den Staatsbankrott provozieren. Das wäre sehr, sehr schlecht, auch für die EU.

Aber mit Stand von heute hat sich das scheinbar müde, scheinbar entscheidungsunfähige, jedenfalls auf mühsame Kompromisssuche angewiesene alte Europa ganz gut gehalten. Das Übereinkommen von Minsk ist sehr fragil, aber es war als Stoppmaßnahme notwendig.

Die Gegenwehr der Ukraine drohte zu zerbröseln, was den Staat insgesamt in Gefahr gebracht, jedenfalls aber den inneren Aufbau unmöglich gemacht hätte. Merkel und Hollande erkannten, dass man trotz allem immer wieder versuchen muss, Russland zu einem halbwegs tolerablen Verhalten zu bewegen.

Warum hat sich Putin auf das Minsker Abkommen eingelassen? Ein voll ausbrechender Krieg mit der Ukraine wäre zu Hause unpopulär. Vielleicht glaubt Putin auch seinen Beratern, die ihn auf die Folgen noch schärferer Sanktionen hinweisen. Wahrscheinlich glaubt er, auch ohne totale Konfrontation ans Ziel zu kommen.

Wo waren die USA in dieser Krise? Ganz im Hintergrund. Obama will selbst keine Waffenlieferungen an die Ukraine. Was immer die USA da tun, Putin kann es übertreffen. Obama hat die Europäer machen lassen, die USA können sich immer noch einschalten. Aber das ist eine europäische Krise, und die wird jetzt einmal von Europäern gemanagt.

Griechenland hat auch eine gewisse strategische Bedeutung für die USA. Aber zunächst ist das eine ureuropäische Krise. Wenn Griechenland über Bord geht, das heißt aus dem Euro und vielleicht sogar der EU austritt, ist die europäische Idee schwer angeschlagen. Ein gemeinsames Europa darf auch schwierige Mitglieder nicht aufgeben, sonst verliert das ganze Projekt an Plausibilität. Zuletzt sah es so aus, als würden beide Seiten merken, dass man es nicht übertreiben darf. Aber jedenfalls ist das eine Sache, die Europa unter sich regeln muss.

Europa hat ein Modell: offene Gesellschaft, Interessenausgleich, Gewaltverzicht untereinander. Russland unter Putin hat sich zu einem uneuropäischen Gegenmodell entschlossen: autoritär, oligarchisch, gewaltbereit.

Auch Griechenland entspricht nur teilweise einem entwickelten europäischen Modell: es fehlt an Bürgersinn, interner Solidarität, Staatsvertrauen. Das Clandenken hat Vorrang vor dem Rechtsstaat. Wenn die neue Regierung da ansetzt, soll man ihr unbedingt helfen. Besser: Europa soll darauf bestehen, dass Tsipras & Co. da ansetzen.

Beides, der Umgang mit der neuen russischen Realität und der alten griechischen Irrealität, ist sehr schwer. Europa wird es irgendwie schaffen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 14.2.2015)