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In der Anfangszeit von Barack Obama war David Axelrod stets an seiner Seite.

Foto: AP Photo/Gerald Herbert

Eigentlich glaubte man die Geschichte zu kennen: Barack Obama wollte in Berlin am Brandenburger Tor reden, als er noch nicht Präsident war, sondern nur Kandidat. Angela Merkel legte ihr Veto ein, worauf der Gast mit der Siegessäule im Berliner Tiergarten vorlieb nehmen musste. Es ist eine Episode, an die Obamas Kritiker gern erinnern, wenn sie belegen wollen, dass der Mann im Oval Office schon immer überaus selbstbewusst war, um nicht zu sagen: anmaßend und arrogant.

Glaubt man David Axelrod, dann verhielt es sich ein wenig anders. Alyssa Mastromonaco, Logistikchefin der Obama-Kampagne, hatte die Gastgeber zu überreden versucht, offenbar mit energischem Einsatz. "Alyssa, selber halb deutsch, bewies ihre teutonische Härte", scherzt der Insider. Was Obama, als er von den Plänen erfuhr, skeptisch fragen ließ: "Glaubst du nicht, dass wir die Latte der Erwartungen ein bisschen hoch legen?"

Berliner Rede

Vor dem Brandenburger Tor hatte Ronald Reagan geredet, in seinem siebten Amtsjahr, und mit einem altgedienten Präsidenten wollte sich der aufstrebende Senator aus Illinois nun doch nicht vergleichen, erinnert sich Axelrod. Die riesige Menschenmenge, die sich an jenem Julitag 2008 im Tiergarten versammelte, habe ihn überrascht, zumal in einer Stadt, deren Bürger bei keinem amerikanischen Votum abstimmen. "Mensch", schreibt Axelrod, aus einer jüdischen Familie stammend, "die Deutschen sind viel netter, als meine Großeltern sie kennengelernt haben".

David Axelrod - der Name steht für das Talent, eine politische Botschaft in wenige, aufrüttelnde Worte zu gießen und dazu die passenden Bilder zu finden. Seit dreißig Jahren rät er Politikern, wie sie ihr Profil schärfen sollten. Einst Journalist in Chicago, ist er längst ein Experte für Marken, ein Image-Macher, wie die Branche ihn nennt.

"Believer"

In seinem neuesten Job hilft er Ed Miliband, dem Chef der britischen Labour-Partei. Nun hat er eine Autobiografie verfasst: "Believer". Der Titel eine Chiffre dafür, dass er an etwas glaubt, an den politischen Prozess, den Charme des demokratischen Wandels. Axelrods Memoirenband soll beitragen zum Verständnis Barack Obamas, eines Politikers, der selbst Amerikanern noch immer ein Rätsel ist.

Als "The Stranger", den Fremden, hat ihn der Journalist Chuck Todd, ein Kenner der Machtzentrale, neulich in einem Buch charakterisiert. Axelrod saß zwei Jahre im Westflügel des Weißen Hauses, und was er am prägnantesten skizziert, ist der Konflikt zwischen Wahlkampfparolen und Wirklichkeit.

Da ist die jähe Ernüchterung, als die Slogans "Hope" und "Change" auf die Realität des Regierens prallten, ausgerechnet in der schwersten Rezession, die Amerika seit den 1930er Jahren erlebte.

Wie im U-Boot

"Ich habe es verdammt noch mal satt, all das Gerede aus dieser blöden Kampagne zu hören", donnert Rahm Emanuel, der zupackende, zum Fluchen neigende Stabschef des Präsidenten, knapp drei Wochen nach Obamas Vereidigung. "Die Kampagne ist vorbei. Wir versuchen hier, ein paar Probleme zu lösen."

Im Weißen Haus zu arbeiten, hat Axelrod gelernt, das sei im Übrigen, als arbeite man in einem U-Boot. "Es ist schwer, Amerika den Puls zu fühlen, wenn man durch ein Periskop auf das Land schaut."

Im Kongress sei schnell klargeworden, "dass uns die Republikaner nicht mit Blumen, Pralinen und einem neuen Geist der Kooperation begrüßen". In naiver Blauäugigkeit habe man darauf gesetzt, Partner auf der anderen Seite zu finden. Die raue Wirklichkeit: eine "monolithische" Opposition.

"Der Motherfucker hier ist nie zufrieden"

"Vielleicht war es das, was Hillary meinte, als sie uns dafür tadelte, falsche Hoffnungen zu schüren." Als Obama seine zweite Wahl gewann, habe Mitt Romney mit Worten gratuliert, die den Sieger sehr irritierten. "Wir waren erstaunt, Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet, indem Sie die Wähler in Städten wie Cleveland und Milwaukee mobilisierten", sagte der Unterlegene. Darauf Obama zu seinen Vertrauten: "Mit anderen Worten, schwarze Wähler. Er denkt, dass es nur darum ging."

Das Debakel der ersten Fernsehdebatte, die sein Klient glasklar gegen Romney verlor, schildert der Berater in ungeschminkter Deutlichkeit. Obama habe keine Lust aufs Debattieren gehabt. Als ihn Axelrod beim Üben dafür kritisierte, habe er, sonst immer so cool, die Beherrschung verloren und wütend geknurrt: "Der Motherfucker hier ist nie zufrieden".

Und Hillary Clinton? Im Moment sieht es nicht danach aus, als würde der Primus der Kampagnenbranche auch von ihr angeheuert, falls sie sich denn erneut ums Oval Office bewirbt. Dazu hat er sie zu eindeutig abgestempelt. "Bei all ihren Vorzügen, sie ist keine, die heilt", schrieb Axelrod 2006 in einem internen Papier. "Nach zwei Dekaden Bush-Clinton-Saga wird es eine Herausforderung sein, sich zur Kandidatin der Zukunft zu machen." (Frank Herrmann, DER STANDARD 14./15.2.2015)